In dieser Übungsfolge kannst du dich sanft und spielerisch an Haltungen herantasten, die zunächst vielleicht außerhalb der „Komfortzone“ liegen – und dabei lernen, wie du dich auch in unbequemen Situationen vertrauensvoll entspannen kannst.
Mut und Sanftmut – auf den ersten Blick scheinen diese beiden Qualitäten außer einer Silbe nicht sehr viel gemeinsam zu haben. Doch schauen wir einmal genauer hin … In einer Welt, in der Härte, ausgefahrene Ellbogen und Aggression als Erfolg angepriesen werden, ist das Mutigste, was wir machen können, sanft mit uns selbst zu sein. Die Praxis von Sanftmut erfordert all unseren Mut, besonders, wenn wir uns darin üben, auch in unbequemen Situationen sanftmütig und offen zu bleiben.
Vermutlich kennt jeder von uns das Gefühl, von einer Situation überwältigt zu sein. Das Gefühl, es nicht zu schaffen; dass die eigenen Qualitäten und Kapazitäten nicht ausreichen, um eine bestimmte Situation zu bewältigen. Im Nachhinein erkennen wir dann oftmals, welch großartige Lehrer diese Momente des scheinbaren Scheiterns, der Ratlosigkeit oder der Ohnmacht doch für uns waren und wie aus solchen Erfahrungen Furchtlosigkeit und Mut entstehen können. Wenn wir also glauben, wir seien am Boden unseres Daseins angekommen, und die Dinge könnten nicht mehr schlimmer werden, ist dies auch gleichzeitig unser sweet spot – der Ort, an dem wir unsere Größe entfalten können, wachsen und lernen!
In der Yin-Yoga-Praxis können wir diese sweet spots – diese bittersüßen Orte – in den weniger komfortablen Haltungen finden. Viele der Positionen in dieser Sequenz bringen uns an die intensiven Empfindungen um unsere Hüfte heran – ein Ort, an dem, wie auch in den Schultern und im Kiefer, viel Spannung gespeichert ist. Vielleicht finden wir hier unsere Grenzen – die Orte, an denen wir hart werden –, und können behutsam damit spielen, hier weich und sanft zu bleiben.
Denn wir haben die Wahl: Wir können in diesen unbequemen Haltungen hart werden und erstarren, voller Furcht vor den intensiven Empfindungen, die möglicherweise kommen. Diese Momente des inneren Erstarrens nennt die buddhistische Weisheitslehrerin Pema Chödrön („Going to the places that scare you“ – heißt so viel wie „die Orte unserer Furcht aufsuchen“) unser Ego. Wir haben sie meist mehrere Male am Tag; es sind die Momente der Irritation, der Frustration, der Intoleranz, der Ungeduld, des Bedauerns oder der Empörung; Momente von Scham, Schuld, Lust […]