Boris Tatzky über den „Yoga der Energie“, die Entwicklung des Bewusstseins und die individuelle Anpassung von Asanas, Pranayama, Mudras und Meditation
Boris Tatzky ist gegenwärtig der renommierteste Vertreter des „Yoga der Energie“, eines Yogastils, der in Frankreich Mitte des letzten Jahrhunderts entstanden ist und von Tatzkys Lehrer Roger Clerc zusammen mit Lucien Ferrer gegründet wurde. Tatzky lebt und arbeitet in Aix-en-Provence und kommt regelmäßig nach Deutschland, um Yogalehrer im „Yoga der Energie“ aus- und weiterzubilden. Er ist Vizepräsident des französischen Berufsverbands der Yogalehrer (FNEY), Mitglied des Ausbildungsbeirats sowie Leiter der Académie de Yoga de l’Énergie de Sud-Est. Tatzky gründete die italienische Scuala Italiana und die Deutsche Akademie des Yoga der Energie sowie das Studienzentrum Yoga der Energie.
Heike Pöhlmann: Was unterscheidet den „Yoga der Energie“ von anderen Schulen des Hatha-Yoga? Energie ist doch ein zentrales Anliegen in allen Yoga-Traditionen wie etwa dem Kundalini Yoga oder dem Sivananda Yoga.
Boris Tatzky: Natürlich sind alle Yoga-Richtungen zwangsläufig Yoga der Energie. Aber hier im „Yoga der Energie“ geht es ganz speziell darum, das Bewusstsein auf diese Energie auszurichten, und zwar von einer klassischen Hatha-Yoga-Praxis ausgehend. Man arbeitet mit den Techniken des Hatha-Yoga wie den Haltungen, dem Pranayama, der Konzentration und der Meditation mit dem Ziel, sich dieser Energie bewusst zu werden. Anschließend lernen wir, die Energie besser zu regulieren und auszugleichen, um schließlich auf diese Energie zu meditieren. So kommt der Schüler einerseits zu körperlichem Wohlbefinden und andererseits arbeitet er an seiner Entwicklung auf dem spirituellen Weg.
H.P.: Könnten Sie das spirituelle Ziel des „Yoga der Energie“ beschreiben?
B.T.: Das Ziel ist, sich bewusst zu werden, dass das ganze Universum reine Energie ist. Und zwar nicht nur sich das vorzustellen, sondern das wirklich innerlich zu erfahren, und sich so in einer wechselseitigen Beziehung mit der Energie des ganzen Universums zu fühlen. Dafür gibt es eine ganz spezielle Pädagogik, die schrittweise aufgebaut ist.
H.P.: Wie muss man sich diesen schrittweisen Aufbau vorstellen?
B.T.: Der Weg stützt sich auf den klassischen Hatha Yoga, auf den Text der Hatha-Yoga-Pradipika. Die Didaktik folgt genau den vier Kapiteln dieser Yogaschrift. Der erste Schritt ist, dass sich der Übende bewusst wird, wie er in seinem Körper lebt. Dass er wirklich seinen Körper wieder bewohnt. Und dass er dann, dadurch, dass er besser mit sich selber und mit seinem Körper lebt, besser mit seiner Umwelt zurechtkommt. Erst übt er also die Haltung, die präzise sein muss und angepasst an […]