„Wenn der Atem bewegt ist, dann ist auch der Geist bewegt, wenn der Atem ruhig ist, ist der Geist ruhig“ – so liest man in der Hatha-Yoga-Pradipika (Kap. 2, Vers 2). Pranayama dient demnach als Methode, den Geist zur Ruhe zu bringen. Nach Patanjali (Yogasutra 2.52 und 2.53) verhilft das regelmäßige Üben von Pranayama zu innerer Klarheit und zur Fähigkeit der Konzentration des Geistes. Zwei Qualitäten benennt das Yogasutra, die der Atem durch regelmäßiges Pranayama erlangen soll: Er soll lang und fein (dirgha-sukshma) werden.
Im Organismus des Menschen sind geistige und physiologische Prozesse eng miteinander verknüpft. Jeder kennt wohl Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich nach einem stressigen oder emotionsbeladenen Tag. Veränderungen des physischen und psychischen Zustandes lassen Veränderungen der Atmung erkennen. Vor Schreck den Atem anhalten oder hyperventilieren bei starker Erregung sind deutliche und bekannte Zeichen hierfür.
Auch unbewusste emotionale Muster der Psyche sind mit bestimmten unbewussten Atemmustern verknüpft. In der Pranayama-Praxis machen wir uns unbewusste, gewohnheitsmäßige Atemmuster gegenwärtig und können durch ein verbessertes Bewusstsein für die Atmung diese einer willkürlichen Veränderung zugänglich machen. Der Begriff Pranayama bezeichnet demnach die Zusammenführung von Körper und Geist durch Atemübungen und stellt eine wichtige Vorübung für die Meditation dar. Das lässt die große Bedeutung des Pranayama im Yoga schon erahnen.
Doch wie funktioniert die Atmung aus anatomisch-physiologischer Sicht?
1. Das Zwerchfell
Das Zwerchfell (Diaphragma) ist unser Hauptatemmuskel. Es ist kuppelförmig und ist zwischen dem Brustbein, den unteren Rippenbögen und mit bis zum dritten Lendenwirbel reichenden „Zipfeln“ zur Wirbelsäule verspannt. Die Kuppel steigt vom unteren Rippenbogen bis zu einer Höhe knapp unterhalb der Schulterblattspitzen auf und ist auf der linken Seite etwas niedriger als rechts, weil dort das Herz seinen Raum beansprucht. Das Zwerchfell trennt den Brustraum vom Bauchraum. Deshalb hat es drei Durchtrittsöffnungen: je eine für die Speiseröhre, die Aorta (Hauptschlagader) und die vena cava (untere Hohlvene). In der Mitte des Zwerchfells befindet sich eine Sehnenplatte, die als Ersatz für eine knöcherne Befestigungsstelle dient, damit das Zwerchfell bei der Kontraktion der Muskelfasern nach unten gezogen werden kann und die Kuppel sich abflacht.
Dabei entsteht ein Sog (Unterdruck) in der Lunge, wodurch Luft in die Lunge strömt. Das ist die Einatmung. Wenn sich das Zwerchfell entspannt, steigt es durch die elastischen Rückstellkräfte […]