Ohne Prana würde unser physischer Körper nichts als ein Klumpen Erde sein. Erst der Prana haucht den Geschöpfen Leben und Licht ein; das ganze Universum ist aus ihm geschaffen.
Die fünf wichtigsten Anlagen unserer menschlichen Natur, nämlich Geist, Atem (Prana), Sprache, Hören und Sehen, stritten einmal darüber, wer wohl die bedeutendste von ihnen sei. Um ihre Auseinandersetzung zu einer Lösung zu bringen, entschied man, dass jeder von ihnen der Reihe nach den Körper verlassen solle; und dann würde man schon sehen, wessen Abwesenheit am wenigsten zu verkraften ist. Als erstes verließ die Sprache den Körper; doch dieser fuhr unbeeindruckt fort zu gedeihen, obwohl er plötzlich stumm sein musste. Danach gingen die Augen, doch unbeeinträchtigt ob seiner Blindheit lebte auch hier der Körper weiter. Dann kamen die Ohren an die Reihe. Und auch hier gedieh der Körper weiterhin, obgleich er jetzt taub war. Schließlich verschwand der Geist. Nun lebte der Körper zwar nach wie vor weiter, musste sich aber mit einem unbewussten Zustand begnügen. In dem Augenblick jedoch, als Prana begann, den Körper zu verlassen, fing dieser an zu sterben. Und alle anderen Gaben verloren in kürzester Zeit ihre Lebenskraft. Sie eilten daraufhin, so schnell sie konnten, zum Prana hin, billigten ihm seine unangefochtene Souveränität zu und flehten ihn an zu bleiben.
Dies ist eine alte vedische Geschichte, die in leichten Variationen in verschiedenen Upanischaden vorkommt. Der Streit am Anfang spiegelt den gewöhnlichen menschlichen Zustand wider. In diesem sind unsere Anlagen nicht integriert, sondern konkurrieren untereinander darum, wer die Kontrolle über unsere Aufmerksamkeit einnehmen darf. Durch das Ausbleiben von Prana wird deutlich, dass unsere Anlagen keine Energieversorgung erhalten und nicht mehr weiter zu funktionieren in der Lage sind. Deswegen ist die Moral von dieser Geschichte, dass, wenn wir Kontrolle über unsere Anlagen bekommen wollen, wir zuerst den Prana kontrollieren müssen.
Um also positive Veränderungen in Körper und Geist zu bewirken, müssen wir erst die Energie verstehen, durch die sie arbeiten. Diese Kraft wird im Sanskrit „Prana“ genannt, was soviel wie „höchste Kraft“ bedeutet und gelegentlich auch mit „Atem“ oder „Lebenskraft“ übersetzt wird, obwohl es tatsächlich noch etwas mehr ist. Die unterschiedlichen Formen, durch welche Prana sich ausdrückt, sind in der westlichen Yoga-Literatur bislang selten tief genug untersucht worden. Dies ist auch der Grund, warum die Wissenschaft vom Prana, die ein weites Feld und sehr tiefgründig ist, kaum verstanden wird.
Prana enthält viele Bedeutungsebenen, angefangen vom physischen Atem bis hin zur Bewusstseins–Energie […]