Heilung – das bedeutet für viele, dem Tod (vorerst) zu entrinnen. Doch liegt das ultimative Heilsein nicht jenseits der Todesschwelle und in der Erkenntnis, dass der Tod nicht das Ende ist?
Ein Beitrag über den Tod in einem Heft zum Thema Heilung? Das mag kontraintuitiv erscheinen. Ist der Tod denn nicht anerkanntermaßen das summum malum, das Schlimmste überhaupt? Ist er nicht, was alle Wesen unter allen Umständen zu vermeiden und, im Falle des Menschen, auch unter Aufbietung aller medizinisch-technischen Möglichkeiten bis zum Äußersten hinauszuzögern suchen? Ist er – welche Ironie des Seins! – nicht jener große Unbekannte, den wir am meisten fürchten, und doch das Einzige im Leben, was wir mit absoluter Sicherheit erfahren werden? Der Tod nämlich ist garantierter noch als das Geschenk der nächsten Einatmung! Patanjali, der große Yogi, lässt uns im Yogasutra wissen, dass sogar die Weisen ihn fürchten, diesen Tod, den man in Indien auch Yama nennt, was „Einhegen“ bedeutet. Der Tod setzt uns Grenzen.
„Werdet Vorübergehende“
Wer einmal die Gelegenheit hat, die letzten Stunden mit einem Sterbenden verbringen zu dürfen, kann konkret erleben, wie sich das körperlich vollzieht: als ein Ringen mit dem Atem. Die Atemzüge werden lang, sehr tief und oft auch laut. Der Atem verliert Gleichmaß, Sanftheit, Ruhe. Schließlich eine letzte
Ausatmung. So hegt Yama das Leben ein. Grenze. Abschluss. Stille.
Jemanden im Sterben begleiten zu dürfen, ist ein großes Geschenk. Alle, mit denen ich darüber sprach – und berufsbedingt waren es viele –, sahen das so. Oft fühlten sie sich von ihrem Umfeld unverstanden („Wie kannst du nur sagen, dass der Tod etwas Schönes an sich hat!“). Doch die letzten Momente mit einem geliebten Menschen gehören zweifellos zu den wichtigsten Momenten in dessen Leben überhaupt – der Zielpunkt, auf den alles zusteuert. Das kann nicht unwichtig sein! Und es kann auch kein summum malum sein, ist es doch Ziel des Seins. „Das Sterben kann nicht so schlimm sein“, sagt Tiziano Terzani seinem Sohn im Buch Das Ende ist mein Anfang, und fährt fort: „Milliarden haben es vor uns getan!“
Auf keine andere Weise als durch den Tod kann in aller Lebendigkeit erfahren werden, dass die Vergänglichkeit keine leutselige Binsenweisheit ist, sondern handfeste, konkrete Realität. Jesus’ Diktum „Werdet Vorübergehende“ wird nirgendwo […]