Berührungen nähren uns auf allen Ebenen: Körper, Geist und Seele brauchen sie. Berührungen bauen Ängste und Stress ab, indem der Cortisolspiegel gesenkt wird. Dadurch stärken sie das Immunsystem, lindern Schmerzen und senken den Blutdruck. Das ganzheitliche Gesundheitssystem des Ayurveda weiß um diese heilende Kraft seit 5000 Jahren. Dr. K. P. Suresh leitet mehrere bekannte Ayurveda- und Marma-Zentren in Kerala und erklärt, warum Berührungen so wichtig sind, welche Arten von Massagen es im Ayurveda gibt und welche Wirkungen sie haben.
Warum ayurvedische Massagen jung und gesund halten – Dr. K. P. Suresh im Interview
Jana Tschitschke: Was genau ist eine ayurvedische Massage?
Dr. K. P. Suresh: Die klassische ayurvedische Massage ist eine Ölmassage. Sie wird Abhyanga genannt, das bedeutet so viel wie „mit Salbe einreiben“. In Indien wird die Massage meist von zwei Therapeuten durchgeführt, die mit ihren Händen synchron von Kopf bis Fuß entlang der Energiebahnen streichen.
Welche Wirkungen haben sie?
Langsame und sanfte Massagen, die mit leichtem Druck ausgeführt werden, lösen Verspannungen. Kräftige Massagen stimulieren schlaffe Nerven und erhöhen deren Leistungsfähigkeit. Die Durchblutung wird verbessert, der Alterungsprozess gestoppt und Schmerzen gelindert.
Warum sind Massagen im Heilsystem des Ayurveda so wichtig?
Die Haut ist unser größtes Organ, über das wir die Außenwelt wahrnehmen. Über sie empfinden wir Wärme und Kälte, ebenso Strukturen, Texturen, Druck und Geschwindigkeit von Körperkontakten. Die Nerven in der Haut senden die Informationen an das Gehirn, das die Berührung als positiv oder negativ bewertet. Fühlt es sich gut an, wird das Glückshormon Oxytocin ausgeschüttet. Das wiederum beeinflusst das Wohlbefinden des Menschen.
Warum ist Öl im Ayurveda notwendig?
Je nach Körpertyp und Gesundheitszustand des Patienten wird das Öl als Entgiftungsmittel eingesetzt. Heilkräuter werden über die Haut in den Körper eingebracht. Dadurch werden dem Körper über die Transpiration Giftstoffe entzogen. Doch es gibt auch Massagen mit Reismilch oder Trockenmassagen mit speziellem Pulver aus Mehl und Kräutern.
Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Suresh!
Erfahrungsbericht: Ayurveda – die Magie der Berührungen
Süchtig nach Ayurveda
Authentische Ayurveda-Massagen in Indien sind unübertroffen. Doch wie läuft so eine Massage eigentlich ab? Legt man sich einfach auf eine Liege und wird 60 bis 90 Minuten mit etwas Öl massiert? Nein, es ist vielmehr eine Zeremonie. Doch Vorsicht, – sie kann süchtig machen!
Ablauf einer ayurvedischen Massage in Kerala
Im Ayurveda-Zentrum des Resorts „Coconut Lagoon“ in den Backwaters von Kerala checkt Ayurveda-Arzt Dr. Binu meine aktuelle Verfassung. Er prüft Puls, Blutdruck, Zunge und fragt, wie ich mich fühle. Nachdem alles geklärt ist, kommt eine Frau in einem weißen Sari ins Arztzimmer. Sie heißt Biji und ist eine erfahrene Therapeutin. Sanft lächelnd nimmt mich bei der Hand und führt mich in den Behandlungsraum. Die offenen Fenster des Holzpavillons bieten einen weiten Blick über ein leuchtend grünes Reisfeld. Kühe stehen bis zu den Knien im Wasser und kleine weiße Reiher schmücken die fast surreal wirkende Landschaft.
Ich sitze auf einem Hocker. Biji stellt sich vor mich, hält eine kleine Öllampe in den Händen und singt ein Mantra. Sie bittet Dhanvantari, den Ayurveda-Gott, um besondere Kraft und heilende Energie für ihre Hände. Danach betritt die zweite Therapeutin mit einer bronzenen Wasserschüssel den Raum und wäscht mir die Füße. Ihr Name ist Anjala. Sie unterstützt Biji, die unterdessen das nach Sesam duftende Öl auf einem kleinen Gasherd erhitzt. Als es warm ist, gibt sie etwas davon auf mein Kronen-Chakra und beginnt Kopf, Nacken und Schultern zu massieren. „Ist der Druck in Ordnung, Madam?“ Alles ist perfekt.
Nach etwa 15 Minuten werde ich gebeten, mich auf den Massagetisch zu legen. Sein Holz aus Neem-Baum hat antibakterielle Eigenschaften. Zudem ist der Tisch so konzipiert, dass das Öl an beiden Seiten ablaufen kann. Literweise rinnt es über Arme, Rücken und Beine, während die Therapeutinnen entlang der Nadis, den Energielinien des Körpers, streichen – insgesamt etwa 30 Minuten. Die gleichermaßen anregende wie entspannende Massage endet mit einer zehnminütigen Gesichtsmassage. Doch zum Glück ist das nicht das Ende der Behandlung.
Schwitzen hilft beim Ausscheiden von Giftstoffen
Während ich wie eine Ölsardine auf dem Massagetisch liege und wieder den Blick aus dem Fenster genieße, bereiten die Therapeutinnen ein Dampfbad vor. Das Schwitzen unterstützt den Körper bei der Ausscheidung der Giftstoffe, die bereits durch das Öl aufgenommen wurden. Wenige Minuten später kommt Biji zurück. Sie reicht mir „herbal water“. Es sei wichtig, zwischendurch ein wenig zu trinken. Kräuter- oder Kokoswasser seien die besten Durststiller.
Nun reibt Biji das Öl auf meiner Haut mit einem Tuch ab und führt mich zu einer Art Holzschrank. Ich werde gebeten, mich auf ein Brett im Inneren zu setzen. Nur mein Kopf ragt durch eine runde Öffnung heraus. Die Türen sind geschlossen. Es scheint, als wäre ich in dem Schwitzkasten gefangen. Doch die gesamte Zeit steht eine der Therapeutinnen neben dem Dampfbad – sollte die Patientin einen Wunsch haben.
„Genug?“, fragt die Therapeutin nach zehn Minuten. „Ja, danke“, sage ich freundlich. Draußen sind schließlich mehr als 30 Grad. Anjala führt mich in ein offenes Badezimmer mit einer Dusche und einem Bananenbaum in der Mitte. Sie hält eine Schale in den Händen und mit der darin enthaltenen Kirchererbsenpaste erhalte ich ein Peeling.
Ausruhen ist Pflicht!
Anschließend werde ich einen weißen Leinenbademantel gehüllt. Anjala malt einen Tika (Anm. d. Red.: Als Tika werden die Segenszeichen bezeichnet, die Hindus auf der Stirn tragen) mit Sandelholz auf das Chakra zwischen meinen Augen und bringt mich wieder zu Dr. Binu, wo mir ein köstlicher Kräuterkaffee mit Kardamom, Ingwer und Pfeffer angeboten wird. In den nächsten zwei Stunden soll ich mich ausruhen: Ich liege in der Hängematte vor einer Pool-Villa im Kerala-Stil und bin ohne Zweifel der glücklichste Mensch der Welt.
Weitere Informationen
Es gibt Resorts aller Kategorien, die in Kerala für Ayurveda zu empfehlen sind – allen voran CGH Earth. Die Öko-Luxus-Hotelkette zählt zu den besten in ganz Asien. Zwei meiner Lieblingsresorts von CGH Earth sind „Coconut Lagoon“ und „Marari Beach“ in der Nähe der südindischen Hafenstadt Kochi.
Um das Thema Berührungen geht es auch in dieser Podcastfolge von ANANDA, dem YOGA-AKTUELL-Podcast: Körper & Sinne: Warum wir Berührungen brauchen