Asanas als Import aus dem Westen? Wie das Magazin der SPIEGEL zu dieser These kam – Anmerkungen zu einem Artikel von Axel Michaels.
In der Ausgabe 5/2013 von YOGA AKTUELL hatte ich über die misslungene SPIEGEL-Reportage (Nr. 31/2013) „Erlösung ohne Erlöser“ berichtet und deren verwegene Thesen analysiert. In dem Bericht wird der Heidelberger Indologe Axel Michaels zitiert mit dem Satz: „Yoga im gymnastischen Sinn gab es bis dahin [d.h. Anfang des 20. Jhs.] in Indien nicht.“
Nun hatte ich bereits ausgeführt, dass die Quellenlage eine andere ist, und auf die jahrhundealten Sanskrit-Texte wie die Hatha-Yoga-Pradipika verwiesen, in denen zahlreiche Asanas beschrieben werden, definitiv auch „gymnastische“. Wie aber war die Redaktion zu ihren Ansichten gelangt? Eine Mitar-beiterin hatte mir zur Rechtfertigung einige Artikel geschickt, auf welche die Redaktion sich stützte, darunter auch einen Aufsatz, den Michaels am 21.5.2011 in der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlicht hat, mit dem Titel „Auf der westöstlichen Übungsmatte“. Der Text ist im Internet abrufbar, bei Eingabe der obigen Stichwörter in eine Suchmaschine. Im vorliegenden Artikel möchte ich der Frage nachgehen, ob Deutschlands zur Zeit bekanntester Indologe sich tatsächlich so geäußert hat, wie im Nachrichtenmagazin zitiert, und wie er generell die Yogabewegung darstellt.
Der Inhalt
In der Einleitung erfahren wir vielerlei Kritisches über den volkstümlichen Yoga, wie seine Kommerzialisierung etc., aber auch einige interessante Fakten, so z.B., dass bereits jeder fünfte Deutsche Yoga oder Meditation in der einen oder anderen Form praktiziert. Der Autor kommt dann auf Bikram Choudhury zu sprechen und erläutert den Streit um die Patentierung von Asanas bzw. deren Sequenzen. Er berichtet von einem Gerichtsurteil in den USA, welches die Yogastellungen als Allgemeingut betrachtet und dementsprechend verfügt hat, dass Choudhury ein Urheberrecht nicht auf die grundlegenden Ideen an sich habe, sondern nur auf die Ausdrucksformen und Formulierungen.
Michaels erwähnt dann die Asana-Datenbank der indischen Regierung, „deren Gesundheitsministerium unlängst beschlossen hat, etwa 1300 Yoga-Positionen in einer Datenbank (Traditional Knowledge Digital Library) der Öffentlichkeit ohne Copyright-Ansprüche zur Verfügung zu stellen.“ Das ist eine wichtige und signifikante Information. Inzwischen sind es schon 1500 Asanas – allesamt Stellungen, die vor dem 20. Jahrhundert in indischen Quellen dokumentiert sind. An diesem Punkt müssen wir bereits aufhorchen: Eineinhalbtausend Posen existierten bereits, […]