Sonne und Mond tanzen im Lebensraum der Erde einen geheimnisvollen Tanz. Es lohnt sich, ihr uraltes Miteinander spirituell zu erforschen, und ihr zusammenwirkendes Wesen im Inneren des Menschen zu erspüren. Denn sowohl der Mensch als auch alle anderen Lebewesen im Schöpfungstraum der Erdenwelt können ohne ein ausgewogenes Zusammenspiel der beiden polaren Kräfte von Ha (Sonne) und Tha (Mond) kein gütliches, friedvolles Leben miteinander führen. Die heiße, aktive und ausstrahlende Kraft des Sonnenfeuers braucht die empfangende, kühlende, entspannende und reflektierende Kraft des Mondes, und umgekehrt.
Beide Kräfte wirken als Zusammenspiel im feinstofflichen Körper des Menschen. Die Sonnenenergie fließt durch Pingala-Nadi rechts der Wirbelsäule, und die Mondenergie durch Ida-Nadi links der Wirbelsäule. Sind die männlichen und weiblichen Kraftströme nicht im Gleichgewicht, führt das entweder zu einem überhitzten und überspannten oder zu einem frostigen und unterspannten Gemütskörper – mit allen daraus resultierenden Unausgewogenheiten und Konflikten. Im Zustand des Gleichgewichts jedoch, so lässt es uns der tantrische Hatha-Yoga erfahren, öffnet sich zwischen den beiden polaren Kräften in der feinstofflichen Wirbelsäule Sushumna-Nadi. Hier beginnt die psycho-spirituelle Kundalini-Kraft ihr bewusstseinerweckendes, reinigendes Werk, indem sie bei ihrem Aufstieg zum Sahasrara-Chakra, dem tausendblättrigen Lotos am Scheitel des Kopfes, die einzelnen Dimensionstore der Chakren öffnet und diese dabei aktiviert. Das Wort Sushumna bedeutet „freundlich“ bzw. „graziös“. Erst im inneren Gleichgewicht von Sonne und Mond erwacht der Mensch zu einem freundlichen, dankbaren und Lebensfreude versprühenden Wesen. Der stete pranische Kraftstrom in Sushumna-Nadi versorgt uns überdies mit den besonderen Eigenschaften der Hatha-Energie, wie z.B. Ausdauer und Kraft.
In zyklischen Zeiträumen von jeweils einem Monat sendet die Sonne durch ihre Strahlen „Lichtwellen-Pakete“ zur Erde, die, je nach kosmischer Zeitqualität, Monat und Jahreszeit, inhaltlich variieren. Diese Lichtinformationen dienen dazu, die dichten Schleier der Unwissenheit (Avidya) und der Dunkelheit (Tamas) zu erkennen und aufzulösen, mit dem langfristigen Ziel, dass den empfangenden Wesen wieder „einleuchtet“, wer sie in ihrem Wesen wirklich sind. Die Bewusstseinsbedingungen unserer Erdenwelt sind jedoch dergestalt, dass die Lichtinformationen nicht von allen Wesen direkt aufgenommen und verdaut werden können, ohne dass diese unter der hohen Energie leiden oder gar innerlich daran verbrennen. Das gilt auch für den Menschen, der deshalb auf den Mond als „Energiemodulator“ angewiesen ist. Der Mond nimmt als Empfänger die Informationsenergie der Sonne auf, „kühlt“ sie art- bzw. „menschengerecht“ herunter und lässt sie über Nacht über das seelische Empfinden langsam im Bewusstsein aufsteigen. Man könnte auch sagen: Der Mond (Sanskrit = Chandra) „chan-nelt“ die Sonne für all jene Wesen, die noch nicht sonnengleich erleuchtet sind. Dies gewährleistet, dass die Lichtenergie in kleinen Portionen vorverdaut und bis zum Anbruch des neuen Tages gespeichert werden kann. So werden an jedem Tag im Monat einzelne „Puzzlestücke des Lichts“ empfangen, die erst bei Vollmond das ganze (Informations)-Bild ergeben, um dann in der abnehmenden Mondphase verdaut und integriert zu werden.
Dem Sonne-Mond-Prinzip unterliegt nicht nur der einzelne Mensch, sondern ganze Völker, Nationen und Religionen, die oft unbewusst einem der Pole mehr zugeneigt sind als dem anderen. So gibt es Sonnenvölker und Mondvölker, häufig noch zu erkennen an den Symbolen auf ihren Flaggen und Gotteshäusern. Im Ringen um ein inneres und äußeres Gleichgewicht der Sonnen- und Mondkräfte ergeben sich oft Missbrauch und Konflikte bis hin zu fürchterlichen Kriegen, im fundamentalistischen Ansinnen, dass ein Prinzip das einzig wahre sei und das andere vom Erdboden getilgt gehöre. So überzieht das eine Extrem die Welt mit einem alles vernichtenden, unbarmherzigen „Sonnenbrand“, das andere hingegen lebt fundamentalistisch-erzkonservativ abgespalten „hinterm Mond“. Diese Irrtümer verkennen aus metaphysischer Unwissenheit die ewig wohlwollenden Kräfte göttlichen Gleichgewichts und ignorieren den „Goldenen Mittelweg“ des lichtvollen Bewusstseinsstromes durch Sushumna-Nadi, der aus der dualistischen Welt der Maya (Schöpfungstraum) in das bewusste Sein „jenseits von“ Sonne und Mond, männlich und weiblich, gut und böse, gläubig und ungläubig etc. führt. Hierfür bedarf es als Wegweiser jedoch einer inneren Kraft von wahrhaft salomonischer Weisheit. Der biblische König Salomon (von hebr. Shalom = Frieden) ist bekannt dafür, dass es in seinem Reich allen Wesen (auch den Unsichtbaren) gut erging. Er ist somit eine Schlüsselfigur, wenn es darum geht, das Geheimnis wahren Gleichgewichts, und damit Friedens, zu lüften.
Die Lüftung dieses Geheimnisses führt direkt ins Zentrum des spirituellen Herzens, ins Anahata-Chakra. Anahata bedeutet wörtlich „nicht-angeschlagen“, denn die Schlägereien, die aus den Duellen der Dualität resultieren, enden hier abrupt. Im Herzen von Anahata, oder anders gelesen „An-a-hate“ = „Nicht-Hass“, herrschen Heilung, Frieden und Liebe. Da es hier keinen Stein des Anstoßes mehr gibt, endet das grausame und ermüdende karmische Spiel von Rache und Vergeltung. In Anahata angekommen, können wir uns, jenseits aller Theorien über Gott und die Welt, in unserer wahren Identität als Lebe- und Liebewesen Gottes wiederfinden und einem Liebesbewusstsein hingeben, das nicht mehr wertet und berechnet. In Anahata ist zum ersten Mal der „nicht angeschlagene Klang“ zu vernehmen. Dieser erklingt ursachenlos und sanft aus dem innersten spirituellen „Herzen Gottes“ (Hrdaya) als heiliges OM bis in die äußerste „Schale“ seines Schöpfungstraumes mit seinen unzähligen Traumgeschöpfen hinein. Dabei entfaltet es die Schwingung des alldurchdringenden, heilenden „Shal-OM“, das einen Bewusstseinsraum für wirklichen Frieden öffnet, und darüber die vergifteten Beziehungen zu dem uns feindlich Gesinnten in Liebe zu heilen vermag.