Giannina Wedde vereint Gesang und Gebet zu einzigartigen, außerordentlich berührenden Klanggebeten. Im Gespräch mit YOGA AKTUELL erzählt sie von ihrem natürlichen Zugang zur Mystik, ihren Erfahrungen im Kloster und vom Gebet als Atem der Seele
Es gibt Lieder und Gedichte, die das Herz unmi ttelbar berühren. Sie stammen aus der Quelle und berühren die Quelle in uns selbst. Das ist Mystik pur. Giannina Wedde, Liedermacherin, Mystikerin und Coach für spirituelle Entwicklung auf dem christlich-mystischen Weg ist Ausdruck dieser Qualität. Ihre Gedichte und Lieder verbinden den Zuhörer und Leser unmittelbar mit dem, was eigentlich nicht in Worte zu fassen ist, und lassen spüren, wie es klingt, wenn Bewusstheit aus einem weiten Herzen fließt und sich manifestiert.
YOGA AKTUELL: Was hat dich auf den spirituellen Weg gebracht?
Giannina Wedde: Ich denke, das waren im Wesentlichen zwei Dinge. Ich hatte als Kind sehr früh so genannte Synästhesien. Das heißt, die Grenzen der Wahrnehmung, so wie die meisten Menschen sie haben – dass sie etwa Wort, Form, Farbe, Klang, Geschmack getrennt wahrnehmen –, waren bei mir schon im Kleinkindalter sehr durchlässig. Für mich hatten beispielsweise Worte immer eine Farbe, eine geometrische Figur und einen Klang. Außerdem konnte ich beim Betrachten von Personen, die andere Personen oder Gegenstände berührten, diese Berührungen an mir wahrnehmen, was, wie ich erst Jahrzehnte später erfuhr, eine so genannte Mirror-Touch-Synästhesie darstellt. Das Zusammenwirken aller Dinge war für mich eine Selbstverständlichkeit, und erst im Laufe meiner Schulzeit begriff ich überhaupt, dass von mir eine „andere“ Wahrnehmung verlangt wird, bzw. dass die meine nicht die übliche ist. Rückblickend betrachte ich diese Synästhesien als Beginn mystischer Wahrnehmung, wie sie in mir dann später im Leben heranreifte.
Neben dieser Veranlagung zur Synästhetikerin habe ich etwa mit zwölf Jahren eher zufällig das Evangelium in die Hand genommen, und das hatte für mich eine unglaublich mitreißende und erweckende Kraft. Ich las das Evangelium hunderte Male, schon morgens in der Straßenbahn auf dem Weg zur Schule, und es hat mich nie wieder etwas so sehr getroffen. Auch hier schien mir, eine Welt offenbart sich, die ganz und gar in unsere stoffliche Welt gegossen ist. Ich habe das zum Anlass genommen, mich tief in die Mystik des Christentums zu begeben, und eine ganze Weile habe ich das innerhalb […]