Unsere Menschlichkeit macht uns auch als Yogalehrer verwundbar. Wenn wir unsere Grenzen und Bedürfnisse aus den Augen verlieren, kann dies zu Verletzungen führen. YOGA AKTUELL hat mit Dr. Günter Niessen, Mediziner und Yogatherapeut, über Glanz- und Schattenseiten des Yogalehrer-Daseins gesprochen.
In den vergangenen Jahren ist über die Schattenseiten des Yogabooms einiges geschrieben und gesagt worden. Ja – Yoga heilt nicht nur, sondern kann auch schaden. Wenn die Praxis akrobatisch wird, besteht Verletzungsgefahr. Wird falsch oder übermäßig geübt, kann Yoga sogar Schmerzen verursachen. Wir mussten unsere rosarote Brille ein wenig zurechtrücken und haben dadurch auch an Klarheit gewonnen. Die erste Verliebtheitsphase ist vorbei und wir haben die Chance, Yoga so kennen und lieben zu lernen, wie er wirklich ist (vielleicht anders, als wir es gerne hätten).
Das Gleiche gilt für uns: Der Yogaweg sollte dahin führen, dass wir uns so lieben lernen, wie wir sind, und die Vorstellung davon, wie wir gerne wären oder glauben sein zu müssen, loslassen. Gar nicht so leicht, da wir von vielen Seiten suggeriert bekommen, dass Perfektion möglich ist, wenn wir uns nur genug anstrengen (oder genug konsumieren). Und auch auf den Yogamatten tummeln sich manche, die – verständlicherweise – hoffen, sich für immer von allen Makeln und allem Leid befreien zu können, wenn sie nur ausdauernd genug üben. Allzu oft sind auch Yogalehrer davon betroffen. Einerseits spüren sie vielleicht Druck von ihren Schülern, für die sie als Projektionsfläche dienen. Es fällt schwer, Erwartungen zu enttäuschen und einzugestehen, dass auch Yogalehrer nicht immer völlig sorgen- und schmerzfrei, entspannt und glücklich durch den Tag schlendern. Andererseits machen sich viele auch selbst ein bestimmtes Bild davon, wie sie als Yogalehrer sein oder was sie alles können sollten. Darf man denn überhaupt unterrichten, wenn man den Handstand noch nicht gemeistert hat oder nicht im vollen Lotus sitzen kann? Ist man ein schlechter Yogalehrer, wenn man sich bei der eigenen Praxis verletzt oder so viele Kurse, Workshops und Vertretungsstunden übernommen hat, dass man in einen Burn-out hineingeschlittert ist?
Einer, der jeden Tag mit den Folgen dieser hohen Ansprüche konfrontiert wird, ist Dr. Günter Niessen. Der Berliner Orthopäde und Yogatherapeut behandelt und heilt mit Yoga. Viele kommen allerdings auch wegen ihrer Asana-Praxis zu ihm. „Mindestens 30 Prozent meiner Patienten sind […]