Bei Yoga Vidya in Horn-Bad Meinberg gibt es zahlreiche ältere Ashram-Bewohner und -Mitarbeiter. Unsere Autorin Heike Pöhlmann hat einige von ihnen kennengelernt
Ingrid steht vor ihrer Yogaklasse und weiß nicht weiter. Sie war gerade dabei, den Sonnengruß anzusagen und hat den Faden verloren. Es dauert nur einen Moment, dann macht sich ein Strahlen in ihrem Gesicht breit. „Wisst ihr was, ihr könnt den Sonnengruß doch alle, dann macht doch jetzt mal noch zwei Runden in eurem eigenen Atemrhythmus.“ Auch der Rest der Stunde ist angefüllt mit ihrer Frische und Fröhlichkeit, und mit kleinen Weisheiten wie dieser: „Yoga lehrt uns, dass wir alles sind, Licht und Schatten.“ Die zierliche Yogalehrerin trägt ihre weißen Haare in einer akkurat geschnittenen Prinz-Eisenherz-Frisur und guckt durch dicke Brillengläser auf die Welt. Sie ist 75 Jahre alt und weiß genau, was sie will. „Ich will hundert Jahre alt werden, denn ich brauche die Zeit, weil ich mich noch entwickeln möchte.“ Sie ist eine von ca. 30 älteren Yogis im Alter ab sechzig Jahren, die im Yoga-Vidya-Zentrum in Bad Meinberg leben und arbeiten.
Leben oder zu Gast sein im größten Yoga-Seminarzentrum
Yoga Vidya Bad Meinberg ist das größte Yoga-Seminarzentrum in Deutschland, nach eigener Aussage gibt es auch in Europa kein größeres. Vor zehn Jahren hatte es Yoga-Vidya-Gründer Sukadev Volker Bretz eröffnet, um dort den klassischen Hatha-Yoga nach Swami Sivananda zu praktizieren und zu lehren. Das idyllisch am Teutoburger Wald gelegene Bad Meinberg war in den achtziger Jahren mal ein boomender Kurort, aber nachdem die Krankenkassen auf Sparen umgeschwenkt hatten, wurde eine Klinik nach der anderen geschlossen. In so einen ehemaligen Klinikkomplex zog dann 2003 der Yoga-Vidya-Verein ein, der zuvor schon in einem kleineren Haus im Westerwald Yogaseminare- und Ausbildungen angeboten hatte. Heute wohnen und arbeiten dort etwa 300 Frauen, Männer und Kinder. Sie nennen den Häuserkomplex Ashram, denn ein Ashram ist in der Yogatradition ein Ort, an dem Menschen dauerhaft oder vorübergehend wohnen, um sich spirituell weiterzuentwickeln. Wer also in den Ashram kommt, hat unzählige Wahlmöglichkeiten, sowohl im Seminarangebot als auch in der Art und Dauer seines Aufenthalts. Bleibt man nur wenige Tage oder Wochen, ein Jahr oder länger? Arbeitet man als Vollzeitmitarbeiter oder als Rentner in Teilzeit nur für Kost und Logis? Oder lebt man […]