Die Freiheit und Macht über persönliche Entscheidungen und das eigene Leben zu haben, ist ein großes Geschenk. Es scheint jedoch oft so, als haben wir keine Kontrolle über Dinge, die um uns herum passieren.
Der Blick auf die Welt voll sozialer Ungerechtigkeit kann bedrückend sein. Und auch im Alltag finden wir uns häufig in Situationen wieder, in denen wir uns machtlos fühlen. Aber Glück und Zufriedenheit sind keine Frage der äußeren Umstände, sondern der inneren Einstellung. Durch Yoga lernen wir, wie wir nachhaltigen Wandel für unser eigenes Leben und darüber hinaus auf globaler Ebene bewirken können.
Veränderung beginnt beim Individuum
Es gibt auf der Welt kaum etwas, was nicht dem Wandel unterliegt. Die einzige Konstante ist die Veränderung, das wusste schon der griechische Philosoph Heraklit. Sie ist tagtäglich Bestandteil unseres Seins. Darum ist es eine Illusion zu glauben, dass wir die äußeren Umstände jemals kontrollieren könnten. Trotzdem sind wir nicht hilflos, sondern ganz im Gegenteil in einer sehr machtvollen Position!
Was also können wir tun? Wir haben jederzeit die Möglichkeit, unsere Sicht auf die Dinge zu Verändern. Alle Negativität liegt in unserem eigenen Denken verwurzelt. Ein Perspektivwechsel verändert unsere Wahrnehmung der Dinge – und dadurch die Dinge selbst. Eckhart Tolle formuliert dies treffend: „Die Hauptursache von Unglücklichsein ist niemals die eigentliche Situation, sondern die Gedanken darüber. Sei dir der Gedanken bewusst, die du denkst. Trenne sie von der Situation, welche immer neutral ist. Es ist, wie es ist.“
Sich der Gedanken bewusst zu werden, die man denkt, und sich nicht mit ihnen zu identifizieren, bedarf eines achtsamen und geduldigen Trainings. Es kann zu Beginn eine echte Herausforderung sein, mit alten (Denk-)Gewohnheiten zu brechen, die sich immerhin im Laufe eines Lebens – seien es 20, 40 oder 60 Jahre lang – etabliert haben. Yoga ist hierfür ein wundervolles Trainingsprogramm!
Achtsam, Hier und Jetzt
Der indische Gelehrte Patanjali ermutigt uns in seinem Yoga-Sutra (Leifaden des Yoga) unser Handeln und Denken kritisch zu reflektieren und uns selbst zu hinterfragen. Hierfür benennt er Svadhyaya, einen wichtigen Aspekt der fünf Niyamas, einer Grundsäule des klassischen Yoga. Svadhyaya bedeutet Selbststudium, welches notwendig ist, um Gedankenstrukturen und dadurch resultierende Handlungsmuster zu erkennen.
Hierfür ist das Schlüsselwort Achtsamkeit. Im Hatha-Yoga richten wir unsere Achtsamkeit nach innen, können so unser Körperbewusstsein vergrößern und dann erspüren, was in uns vorgeht. Durch die Meditation lernen wir, unsere Gedanken ohne Wertung zu beobachten, uns nicht mehr mit ihnen zu identifizieren und uns so von negativen Gedankenmustern zu lösen. Der Geist kommt mehr und mehr zur Ruhe.
Von innen nach außen
Sind wir uns unserer Gedankenmuster und Gewohnheiten erst einmal bewusst, ist es uns möglich, in schwierigen Situationen im Alltag nicht mehr aus Gewohnheit oder Affekt zu reagieren, sondern bewusst zu agieren. Wir begegnen auch unseren Mitmenschen mit der Achtsamkeit, die wir in unserer Yogapraxis trainieren. Wir können gelassener mit Stress im Job oder Familienleben umgehen, werden geduldiger mit uns selbst und anderen, akzeptieren Dinge, die wir nicht ändern können und lassen falsche Erwartungen los, die wir an Mitmenschen stellen. Denn wir wissen, dass wir für unser Glück ganz alleine verantwortlich sind. Niemand kann uns glücklich machen, wenn wir mit uns selbst nicht im Reinen sind. Auch C. G. Jung bringt zum Ausdruck, dass wir keine Opfer der äußeren
Umstände sind, sondern unser Leben aktiv selbst gestalten können, wenn er sagt: „Ich bin nicht das, was mir geschieht. Ich bin das, was ich zu werden beschließe.“
Gleichzeitig gibt uns der Yoga auch ethische Empfehlungen an die Hand, die uns das Zusammenleben mit unseren Mitmenschen erleichtern. Zu diesen Yamas, ebenfalls aus Patanjalis Yoga-Sutra, zählen Gewaltlosigkeit (Ahimsa), Wahrhaftigkeit im Sinne von ehrlichem Tun und Reden (Satya), Nichtstehlen oder Großzügigkeit (Asteya), kein sexuelles Verhalten, das anderen schadet (Brahmacharya) sowie Unbestechlichkeit (Aparigraha). Diese Aspekte könne wir nicht nur auf unsere Mitmenschen beziehen, sondern auf alle Lebewesen und die gesamte Umwelt.
Vom Menschen zur Umwelt
Wir Menschenwesen sind Teil eines großen Ganzen und jede Handlung wirkt auf das Gleichgewicht eines sensiblen Systems. Wenn wir einem anderen Lebewesen oder der Umwelt schaden, werden wir früher oder später die Konsequenzen dessen zu spüren bekommen, was sich beispielsweise deutlich am Klimawandel oder der Wirtschaftskrise ablesen lässt. Nachhaltige soziale, politische, ökonomische und ökologische Veränderung muss deshalb ebenfalls beim Individuum ansetzen.
Welche Bedürfnisse habe ich? Wie wirken sich meine Entscheidungen auf meine Mitmenschen und die Umwelt aus? Um diese Fragen zu beantworten bedarf es Achtsamkeit und Selbstreflexion, die durch Yoga fester Bestandteil unseres Lebens werden können. Yoga lässt sich ganz praktisch auf alle Lebensbereiche anwenden.
Yoga bedeutet Einheit – die Einheit zwischen Körper und Geist, Einheit zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur. Je näher wir zu uns selbst kommen, umso mehr spüren wir unsere Verbindung zu allem um uns herum. Dauerhafte positive Veränderung beginnt im Denken jedes Einzelnen, durchdringt alle Aspekte des Lebens und weitet sich aus auf den globalen Kontext.
„Wenn du die ganze Menschheit erwecken willst, dann erwecke zuerst dich selbst. Wenn du das Leiden in der Welt auslöschen willst, dann lösche zuerst die Dunkelheit und das Negative in dir selbst. Tatsächlich, das größte Geschenk, das du geben kannst, ist das deiner eigenen Selbst-Umwandlung.“ Lao Tzu