Hildegund Gruber ist Frauenärztin und praktiziert Yoga. YOGA AKTUELL führte mit ihr ein interessantes Gespräch über die Rolle, die Yoga für eine erfüllte Sexualität spielen kann.
Über viele Jahrtausende galten Sexualität und Spiritualität als unvereinbare Gegensätze. Wer Erleuchtung durch Yoga oder Meditation erlangen wollte, sollte sich traditionell von sinnlichen Genüssen und sexueller Lust befreien, um die eigene Energie so gut wie möglich zu konzentrieren, den Geist zu fokussieren, den Körper zu reinigen und zu stärken. Sex galt für viele eindeutig als Ablenkung auf dem Weg des Erwachens. Viele spirituelle Traditionen waren der Meinung, dass eine Transformation der sexuellen Lust nur dann möglich sei, wenn man die aktive Sexualität aus dem eigenen Leben ausklammert und durch spirituelle Praktiken transformiert. So mancher Guru empfahl seinen Schülern, die sexuelle Betätigung einzuschränken oder sogar vollkommen darauf zu verzichten. Yoga wurde mit Askese gleichgesetzt, weil man der Meinung war, dass Sex Anhaftung erzeugt und den Geist zerstreut.
Aber Gott sei Dank unterliegt alles einem Wandel. Dies gilt auch für die Beziehung zwischen Yoga und Sexualität. Denn in der heutigen Wahrnehmung steht ein lustvolles Erleben von Sex keineswegs im Widerspruch zu einer Yoga- und Meditationspraxis – im Gegenteil, die Übungen des Yoga mit all den Muskelanspannungen und sinnlichen Bewegungen können zu einer erfüllteren und bewussten Sexualität beitragen. Ebenso steht der Aspekt der Integration von Sexualität als Teil des Lebens und damit auch als Teil der spirituellen Praxis mehr im Vordergrund als früher. Seine Sexualität hingebungsvoll auszuleben, kann sich nicht nur positiv auf die Gesundheit auswirken, sondern sogar ein Weg sein, auf lustvolle Weise mit dem Höchsten in Kontakt zu kommen. Eines darf man nämlich nicht vergessen: Selbst Heilige, Yogis und Gurus sind durch einen sexuellen Akt entstanden.
YOGA AKTUELL: Yoga und Sex, passt das Ihrer Meinung als Frauenärztin nach zusammen?
Dr. Hildegund Gruber: Yoga und Sex passen aus meiner Sicht als Frauenärztin definitiv zusammen. Ich sehe da keinen Widerspruch, im Gegenteil. Sex bzw. Sexualität ist individuell, und Yoga ist eine gute Möglichkeit, sich als Individuum und somit auch als sexuelle Wesenheit, als Frau, zu erfahren.
Inwiefern beeinflusst Yoga unseren Körper und damit auch unsere Sexualität?
Der Weg geht über die Körperlichkeit, das Bewusstsein für den eigenen Körper mit seinen Möglichkeiten und Funktionen, über das bewusste Wahrnehmen […]