Seit vierzehn Jahren schreibt Wolfgang Bischoff zu jedem Vollmond einen kontemplativen Text. Er lädt Menschen weltweit dazu ein, sich von 21 bis 22 Uhr der jeweiligen Ortszeit aufrecht und bequem in eine Meditationshaltung zu begeben, still zu werden, den Text zu lesen und auf sich wirken zu lassen, und dann mit der persönlichen Meditationsübung zu beginnen.
Vollmond am 21.9.
Am Dienstag, den 21.9.2021, steht der voll erleuchtete Mond in seinem gelblich-rötlichen Schein still und kraftvoll am Himmel und lädt uns alle zu einer stillen Stunde um 21 Uhr ein, ein jeder an seinem Platz.
Still zu werden ist eine Kunst, die eine Führung der geistigen Aufmerksamkeit voraussetzt, weshalb wir immer wieder die sieben vorbereitenden Schritte gehen, um eine Freundschaft mit dem eigenen Geist zu schließen. Dazu schau dir alle Bewegungen deines Geistes an, gib ihnen jeweils einen Titel und stell die Titel wie ein Buch in ein Bücherregal, dann pflege den inneren Dialog mit deinem Geist, dass du dich zu einer anderen Zeit mit diesen Themen beschäftigen wirst. Nach 2–3 Minuten führe deine Aufmerksamkeit zu den Nasenflügeln und schau dir die kühlere Ein- und die wärmere Ausatmung in den Nasenflügeln an.
Sobald deine Atmung ruhig und gleichmäßig fließt, ohne Pause, ohne Geräusche und ohne jede Anstrengung, folge deinem Atem in deinen Körper hinein und sieh dir die Ausdehnung der Einatmung in deinen Körperräumen an, und wie sie sich während der Ausatmung wieder zusammenziehen. Jetzt kultiviere dabei die Vorstellung von der Reinigung und Befreiung von allem, was dich innerlich belastet und bedrückt, während der Ausatmung sowie von der Ernährung und Erfrischung während der Einatmung.
Im fünften Schritt schau dir nun dieses Wunder der Ein- und Ausatmung an, für das du nichts zu tun brauchst; das du in jedem Moment neu erhältst von einer Kraft, die dich so akzeptiert, wie du bist, mit all deinen Stärken und Schwächen. Diese Grundlage für jede innere Entspannung etabliere ohne jede Anstrengung, danach entspanne dich von der Krone des Kopfes bis zu den Zehen und von den Zehen bis zur Krone im Kopf.
Im siebten Schritt geh in deiner Vorstellung in den innersten Raum deines Herzens, werde ganz still und beginne nun ein Beobachtungsabenteuer, dem du dich zunächst lesend annähern kannst, um es dann immer mehr innerlich erfahren zu können:
Die Stille ist nicht nichts.
Sie ist ein Raum, von Klang erfüllt, aus dem die Welt entsteht: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war Gott, und Gott war das Wort. Alles, was es auf der Erde gibt, ist aus diesem entstanden.“ (Johannes-Evangelium)
Menschen, die ihr Leben der Meditation gewidmet haben, haben in dieser Stille diesen Klang hören gelernt und dabei angefangen, den Menschen in seinen tiefsten Tiefen verstehen zu lernen.
Der eine Klang begann, sich in viele aufzuteilen, und ließ die feinen und groben Elemente entstehen, die wiederum Energiezentren zu bilden begannen.
So nahmen sie in der Kuhle im Hals das Element Raum mit der Eigenschaft des Klanges wahr und erkannten, dass es der reine Klang Gottes war. Dieser führte sie dann zum Element Luft mit den Eigenschaften Klang und Berührung und bildete das Herzzentrum. Den Wind, die Luft kannst du fühlen. Niemand kann den Wind aufhalten, er ist reiner, emanzipierter Geist und wählt, überall dorthin zu gehen, wohin es ihm gefällt.
Mit dieser Kraft der Freiheit erfüllt die Luft das Herzzentrum und bildet mit ihrer Klangkraft das Feuer mit den Eigenschaften Klang, Berührung und Form. Das Feuer kann man sehen. Es bildet das Bauchnabelzentrum. Die Erde kann vergiftet sein, das Wasser kann vergiftet sein, die Luft kann voll giftiger Gase sein, aber das Feuer ist immer rein, immer reinigend und verbrennt alle Unreinheiten.
Mit dieser reinigenden Klangkraft bildet es das Wasser mit den Eigenschaften Klang, Berührung, Form und Geschmack. Das Wasser kannst du schmecken. Das Wasser ist immer im Gleichgewicht; egal wie du ein mit Wasser gefülltes Glas hältst, es ist immer im Gleichgewicht. Es bildet das Sexualzentrum. Das Wasser reinigt uns, wenn wir duschen, und fließt unaufhörlich, so lange, bis es mit der Einheit des Ozeans verschmilzt.
Mit dieser Kraft bildet es die Erde mit den Eigenschaften Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch. Die Erde kannst du riechen. Sie gibt dir Stabilität, trägt und schützt dich und bildet das unterste Energiezentrum am Fuße der Wirbelsäule.
All dies entsteht aus dem einen reinen Klang Gottes, aus dem sich verschiedene natürliche Klangqualitäten entwickeln, die dann all diese Elemente und Kraftzentren bilden.
Diesen Klang Gottes nennt man in der Sanskritsprache Shabda-Brahman, aus dem ein Bindu, ein Konzentrations-Intensitätspunkt, entsteht, der sich im feinstofflichen Körper des Klanges manifestiert. Man nennt ihn auch Nada, und dieser Klang Nada wird durch die natürlichen Namen ausgedrückt, die man Matrikas nennt. Aus diesen entstehen Aksharas, die Buchstaben des Sanskrit-Alphabets. Sie bilden die Bija-Mantren, die Saatklänge, die der Mensch dann aussprechen kann, und stellen die engste Beziehung zu den natürlichen Namen und Klängen der Objekte dieser Welt dar.
Wir können die Bija-Mantren wahrnehmen, hören und aussprechen und können ihre feinstoffliche Schwingung fühlen. Das sind die Schwingungen von Nada-Shakti, der Klangkraft. Wenn wir so lauschend zwischen dem grobstofflichen und dem feinstofflichen Wort eine Verbindung schaffen, dann kreieren wir eine Brücke von Verständnis und begeben uns in das intuitive Wahrnehmen und Verständnis von der Entstehung der Schwingungen der Mantras, der heilenden Klänge, und der Entstehung des Menschen und dieser Welt.
Jenseits von der intellektuellen Definition gelangen wir zum Gefühl von der Schwingung. Nun beginnen wir, mit diesem Gefühl den Klang des Mantras zu wiederholen, und können erleben, wie uns dieser Klang durch seine immer feiner werdende Schwingung in die Stille zu führen beginnt, aus der heraus wir dann wieder ganz feine Empfindungen erfahren, die uns zu dem groben, lauten Klangausdrucks des Mantras führen.
Findet dieser Prozess durch regelmäßiges Üben statt, dann erleben wir die Guru-Kraft von innen heraus. Unsere intuitive Wahrnehmungsfähigkeit lässt sie uns erleben.
Dieses großartige Erleben lässt mich vor dieser Kraft, die jeden Menschen segnet und beschenkt, in Dankbarkeit verneigen.
Ich wünsche euch eine gesegnete stille Stunde und ein heiliges Lauschen in einem immerwährend stattfindenden Schöpfungsprozess.
In liebevoller Verbundenheit,
Wolfgang
Jetzt schon vormerken: Einen Beitrag zum Oktober-Vollmond findest du in YOGA AKTUELL Heft 130, Erscheinungstermin der Ausgabe ist der 01.10.!
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