Eine transformierende Reise in die Welt der Träume: Was heute als „luzides Träumen“ bekannt ist, hat in Tibet eine lange Tradition
Zum ersten Mal erfuhr ich von Traumyoga auf viertausend Metern Höhe im nordindischen Himalaya. Wir waren gerade dabei, ins Tal hinabzusteigen. Es war ein steiniger Pfad. Heiße Sonne biss uns, und kalter Wind streifte uns. Die bunten Gebetsflaggen am Wegesrand flatterten. Nawang ging strammen Schrittes voran. Unser einheimischer Freund in roter Robe war tibetisch-buddhistischer Mönch und die schwindelerregende Höhe gewöhnt. Wir waren auf dem Weg zu jener abgelegenen Einsiedelei, in der er sechs Jahre in Stille verbracht hatte.
Er führte uns an einen magischen Ort der vollkommenen Einfachheit, im Nirgendwo einer unendlichen Gebirgslandschaft, den Sternen nah. Wir übernachteten in einem kleinen Zimmer unter schweren Wolldecken. In der Nacht hatte ich einen Traum, der sich realer als alle anderen Träume anfühlte, die ich je zuvor hatte. Es war einer dieser Alpträume, die mich schon mein Leben lang verfolgten. Während unseres Abstieges berichtete ich Nawang von meinem nächtlichen Erlebnis. Inständig hoffte ich, er habe weise Worte für mich bereit. Stille. Nur das Flattern der Gebetsflaggen war im Wind zu hören. „Du musst Traumyoga lernen“, sagte er.
Zurück in Berlin erinnerte ich mich an die spärlichen Worte meines ladakhischen Freundes und begann, mich auf die Suche zu machen. Ich entdeckte ein Buch über luzides Träumen. „Luzides Träumen ist seit Jahrhunderten bekannt, galt bis vor Kurzem aber als seltenes und kaum erkundetes Phänomen“, schreibt der Autor und Traumforscher Stephen LaBerge. Die Wissenschaft des luziden Träumens gehe auf den tibetischen Traumyoga aus dem 8. Jahrhundert zurück, der von Padmasambhava mit dem Buddhismus nach Tibet gebracht wurde. Mein Herz schlug schneller, als wäre ich wieder in den Bergen. Ich hatte gefunden, was ich suchte. Ich betrat die Tür zu einer neuen Welt, die bis dahin vollkommen im Dunkeln lag. Vor mir lag eine neue Reise. Sie würde mich nicht in den Himalaya führen, aber an einen ebenso unbekannten, fernen Ort.
Wie sind unsere Träume beschaffen?
Unser Gehirn funktioniert, indem es die reale Welt nachbildet. Die Informationen für dieses Abbild erhält es über unsere Sinnesorgane. Im Schlaf ruht unser Körper, und diese Verbindung ist unterbrochen. Das Gehirn greift auf das zurück, was bereits […]