Dem Asana begegnen: Die innere Wirklichkeit der Yogahaltungen ist durch unsere Fixierung auf eher äußerliche Benefits aus dem Blickfeld der Wahrnehmung geraten. Wie wir den Weg zum innersten Kern der Asanas zurückfinden können
„āsana“– schon das Wort mit seiner dreimaligen, rhythmischen Wiederholung des „a“ klingt tief und geheimnisvoll. Fünf Buchstaben, die so sehr zum Inbegriff des modernen Yoga geworden sind, dass sich heute alles um sie zu drehen scheint. Das war nicht immer so. Lange bevor Yoga im 20. Jahrhundert als Körperübungspraxis populär wurde, und noch lange vor Patanjali, dessen „Raja-Yoga-Sutra“ die Asanas als dritte von acht Stufen beschreibt, war jahrtausendelang die Bhagavad-Gita „Der Gesang des Erhabenen“, die bedeutendste Quellenschrift des Yoga.
Die „Gita“, wie sie gern verkürzt genannt wird, schildert uns in einem wunderbaren Zwiegespräch zwischen Krshna, dem Lehrer, und Arjuna, seinem Schüler, die Essenz des Yoga im damaligen Indien. „Handle im Nicht-Handeln!“ oder: „Handle, ohne die Früchte des Handelns zu begehren!“ lehrte Krshna seinen verzweifelten Schüler und wies ihn damit auf das Geheimnis des Karma-Yoga hin. Er lehrte ihn auch, wie es das „Begehren“ ist, welches das höhere Erkennen (Jnana-Yoga) verhindert, und vertraute ihm schließlich, am Ende der 18 Kapitel, das Höchste Geheimnis des Bhakti-Yoga an: „Sei mir zugeneigt! Werde mein mich Liebender, ein mir Opfernder!“
Fremd und unverständlich mögen solche Aussagen bei einer ersten Annäherung für uns heutige Yogaübende klingen. Der heute drei bis fünftausend Jahre zurückliegende Text wird sicherlich einige Verständnisschwierigkeiten hervorrufen, da uns die darin geschilderten Gedanken und Begriffe nicht sogleich zugänglich sind. Tatsächlich kann es aber auch für uns heutige Yogaübende eine sehr lohnenswerte Aufgabe sein, sich in wiederholten empfindenden Betrachtungen für einige Zeit in die Welt der Bhagavad-Gita zu versetzen.
Vor die Asanas setzt Patanjali die Yamas und Niyamas
Das Studium der Schriften und die damit zusammenhängende Selbstreflexion, Svadhyaya, das Hinterfragen der eigenen Motive, ist eine der fünf Niyamas, die Patanjali den Übenden des Raja-Yoga ans Herz legt. Die Yamas und Niyamas, die DOs and DON’Ts des Yoga, setzte Patanjali an den Anfang seiner acht Stufen, und er lässt Asana erst als das dritte Glied in der Reihe folgen. Warum diese Reihenfolge? Könnte es sein, dass uns ohne eine Disziplin wie Svadhaya die nötigen Grundlagen, die nötige Einstimmung für die Praxis der […]