Die Vedischen Gottheiten: psychologisch-spirituelle Aspekte und gemeinsamer Ursprung. Ein erster Überblick.
Die rund tausend Hymnen des Rg-Veda sind in einer dreifachen Gliederung von Rshi – Seher, Devata – Gottheit und Chandas – Versmaß auf zehn Bücher oder Zyklen (Mandala, wörtl: Kreis) verteilt. Diese Einteilung ist signifikant in mehrfacher Weise. Ganz allgemein erleichterte sie bestimmt das Auswendiglernen und das einfache Zurückgreifen – aus dem Gedächtnis – auf einzelne Hymnen. Ich will hier nur etwas genauer auf die Gliederung nach den verschiedenen Gottheiten eingehen.
Gleich um welchen Seher oder dessen Familienmitglieder, Nachkommen oder Schüler es geht, erfolgt die Anrufung der einzelnen Götter in jedem Buch grundsätzlich in derselben Reihenfolge. Die Hymnen an Agni kommen immer zuerst, gefolgt von denen an Indra usw.
Für das Verstehen der Hymnen ist es äußert wichtig, welche Vorstellung wir von den Göttern haben. Wir müssen diese göttlichen Helfer und Freunde der Mystiker und Eingeweihten des Altertums in einem anderen Lichte sehen als die Götter der späteren indischen und wohl auch griechischen Epen. Dort werden sie ja oft mit schon recht vermenschlichten Charakterzügen und als miteinander konkurrierend dargestellt. Sri Aurobindo schreibt in seinem Kommentar zur Kena Upanishad:
„Sie (die Götter) repräsentieren die göttliche Macht in ihren großen und grundlegenden kosmischen Funktionen, ob im Menschen oder in Denkgeist, Leben und Materie generell. Sie sind nicht die Funktionen selbst, sondern etwas vom Göttlichen, das essenziell in deren Operationen und ihr direkter Besitzer und Ursprung ist. Sie sind, wie wir von anderen Upanishaden sehen, positive Selbst-Repräsentationen des Brahman (der höchsten Wirklichkeit), die zum Guten, zu Freude und Licht, zu Liebe und Unsterblichkeit führen…“
„Die Götter der Upanishaden unterscheiden sich in einer äußerst wichtigen Hinsicht von den Göttern des Rg-Veda. Denn Letztere sind nicht nur Mächte des Einen, sondern sich ihres Ursprungs und ihrer wahren Identität bewusst. Sie kennen das Brahman, sie wohnen in der höchsten Gottheit; ihr Ursprung, Zuhause und angestammte Ebene ist die überbewusste Wahrheit. Es stimmt, dass sie sich im Menschen in Form der menschlichen Fähigkeiten manifestieren und die Erscheinung der menschlichen Begrenzungen annehmen, – dass sie sich im unteren Kosmos manifestieren und die Ausprägungen seiner kosmischen Operationen annehmen. Doch ist das nur ihre geringere und untere Bewegung. Darüber sind sie für immer der Eine, der Transzendente und Wundervolle, […]