Aktuelles zur SPIEGEL-Berichterstattung über Yoga.
Wer in der Woche vom 29.7.2013 den „SPIEGEL“ aufschlug, konnte Wundersames erfahren: „Religionsforscher enthüllen die wahren Ursprünge asiatischer Geisteslehren: Was heute als uralte Spiritualität gilt, entstand vor rund hundert Jahren für ein westliches Publikum. Das Yoga ist eine Erfindung europäischer Turner“, so stand es wörtlich auf der Inhaltsseite.
Ein Sommerlochfüllender Aprilscherz? Diese Frage hat sich wohl so mancher Leser gestellt. Wer dann neugierig im Artikel mit dem Titel „Erlösung ohne Erlöser“ geblättert hat, kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Die uralte indische Spiritualität hat es nie gegeben, Vivekananda hat sie erfunden. Der Mönch aus Kalkutta war „ein Exportgenie“. Verlockend an der Hindu-Religion war für Westler vor allem die Aussicht „auf Erlösung schon im Diesseits, ganz ohne Erlöser.“ Yoga kommt in der Bhagavadgita kaum vor, und wenn überhaupt, dann geht es nur um geistige Vervollkommnung, um Meditation. Die Asanas wurden vor hundert Jahren von westlichen Turnern nach Indien gebracht und dann, mit ein bisschen Mystik aufgehübscht, reimportiert. Die Inder selbst kannten zu Beginn des 20 Jahrhunderts „kaum eine der zahllosen Figuren, ‚Asanas‘ genannt, die heute weltweit … gelehrt werden.“
Wer hinter diesen eigenartigen Thesen steht, erfahren wir gleich zu Beginn des Artikels: Peter van der Veer, Direktor am Göttinger Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multi-ethnischer Gesellschaften. „Jahrelang“, so lesen wir, hat sich der Anthropologe mit diesen Fragen beschäftigt – aber leider nicht sehr gewinnbringend. Da ich mich einmal intensiv mit Vivekananda befasst habe, konnte ich gleich auf den ersten Blick erkennen, dass das meiste, was im Artikel über ihn steht, mehr oder minder unzutreffend ist. Richtig ist aber, dass er eine wichtige Rolle gespielt hat. Im Jahr 1995 habe ich im Sonderheft „Yoga“ der (nicht mehr existierenden) Zeitschrift DAO in dem Artikel „Wie Yoga in den Westen kam – Swami Vivekananda“ darauf hingewiesen.
Swami Vivekananda (1863–1902)
Vivekananda hat die uralte indische Spiritualität nicht erfinden müssen, denn es gab sie schon in Hülle und Fülle. Einerseits in Gestalt der zahllosen spirituellen Texte der Sanskrit-Literatur, zum anderen in Gestalt der zahllosen spirituellen Persönlichkeiten der Vergangenheit. Fast in jedem Jahrhundert existierten letztere in der indischen Geschichte, allein im Epos Mahabharata werden weit über hundert erwähnt und wird eine beträchtliche […]