Die Liebe zur Natur ist tief in uns Menschen angelegt. Das wusste schon Erich Fromm, der große deutsch-amerikanische Psychoanalytiker. Er sprach von den biophilen Kräften in unserer Psyche, die sich nach der Natur sehnen. Alles andere wäre auch verwunderlich – sind wir Menschen doch seit jeher aufs Engste mit unserer natürlichen Umwelt verbunden.
Dass es schöner ist, durch einen lichten Wald zu laufen oder entlang einer grünen Wiese zu radeln als graue Wände oder TV-Bildschirme anzustarren, ist allgemein bekannt. Und niemand würde wohl ernsthaft abstreiten, dass ein Aufenthalt in der Natur eigentlich jedem gut tut (okay, außer Pollen-Allergikern im Frühling). Wie gut uns aber der Aufenthalt im Grünen tut, das hätten viele vielleicht bis vor Kurzem gar nicht für möglich gehalten…
Die Heilkräfte der Bäume
Die Waldluft ist ein Cocktail aus sekundären Pflanzenstoffen. Zu den wichtigsten gehören die sogenannten Terpene. Pflanzen kommunizieren über diese Stoffe miteinander und sogar mit Insekten. Nun häufen sich die wissenschaftlichen Beweise dafür, dass diese einen enorm positiven Effekt auf das menschliche Immunsystem haben. So erhöht bereits ein ausgedehnter Spaziergang durch den Wald die Anzahl unserer natürlichen Killerzellen im Blut um durchschnittlich 40 Prozent! Diese Wirkung hält immerhin sieben Tage an. Zusätzlich stärken die Terpene der Bäume die körpereigenen Mechanismen der Krebsbekämpfung und fördern die Produktion von Herzschutzsubstanzen, wie z.B. dem Hormon DHEA.
Im Wald zu sein ist also natürliche Aromatherapie. Wenn wir uns nicht nur im Grünen aufhalten, sondern uns dort auch noch intensiv bewegen und bewusst tief atmen, dann können wir die Aufnahme der Terpene fördern.
Interessante Facts
- Menschen, die nach einer Gallenblasenoperation, einen Baum vor dem Fenster betrachten konnten, zeigten eine deutlich bessere Wundheilung als jene, die nur auf eine Mauer sahen.
- Auch Schüler, die eine Aussicht auf Naturflächen hatten, haben in Tests besser abgeschnitten als jene in Schulen ohne Grün vor den Fenstern.
- Büroangestellte, die auf Grünflächen blicken konnten, gaben im Vergleich zu denen, die keinen solchen Ausblick hatten, deutlich seltener an, unter Konzentrationsschwierigkeiten zu leiden oder frustriert von der Arbeit zu sein.
Ein Waldspaziergang als Mentaltraining
Studien haben ebenfalls gezeigt, dass sich depressive Verstimmungen, Wutgefühle und allgemeine Bedrücktheit durch Aktivitäten in der freien Natur reduzieren lassen. Ein Aufenthalt im Grünen macht uns kreativer, fördert unser Konzentrationsvermögen und hilft uns Probleme zu lösen. Wer hat es nicht schon erlebt, dass sich bei einem Spaziergang draußen plötzlich die Antwort auf jene Frage zeigt, über der man eben am Schreibtisch noch verzweifelt gebrütet hat.
Eine weitere neue Studie weist darauf hin, dass das Einatmen des Bakteriums Mycobacterium vaccae, das der Erde entstammt, zu einer Erhöhung des Serotoninspiegels führt und dadurch die Stimmung hebt. Dadurch erklärt sich vielleicht auch der positive Effekt bei depressiven Verstimmungen.
Moos statt Matte
Warum also nicht einmal die Yogapraxis von der Matte nach draußen verlegen? Die warmen Frühlings- und Sommertage eigenen sich prima für Outdoor Yoga. Und mit ein bisschen Kreativität werden Bäume sogar zu Acro-Yoga-Partnern.
Hier kommen Ideen für deine Biophilia-Praxis:
Schulterbrücke
Stütze dich mit den Schultern an einer Erhöhung ab und spann aktiv die Bauchmuskeln an. Die Füße stehen hüftbreit. Dann streck die Hüfte und drück den Oberkörper nach oben bis er gemeinsam mit Kopf und Knien eine Linie bildet. Die Handflächen zeigen nach oben.
Wenn du die Position locker halten kannst, dann kannst du sie intensivieren, indem du die Arme in Brustbeinhöhe hebst oder hinter den Kopf führst. Du kannst sie auch dynamisch üben.
Die Brustwirbelsäule strecken
Suche dir einen Ast oder einen freiliegenden Felsen. Je beweglicher du bist, umso tiefer darf das Waldtrainingsgerät liegen.
Strecke die Arme über den Kopf und neige den Oberkörper dann nach vorne bis die Arme auf der Erhöhung abgestützt sind. Länge die Wirbelsäule und öffne den Brustkorb mit der Atmung. Falls die Spannung zu groß wird, winkle die Knie leicht an. Halte aber in jedem Fall die Bauchspannung.
Handstand
Finde einen Baum oder eine Erhöhung, die dir sympathisch ist. Stütze dich mit den Handflächen schulterbreit auf dem Boden ab. Der Baum/die Erhöhung ist hinter dir.
Dann stütze dich mit den Fußspitzen an deinem „Partner“ ab und wandere mit den Händen in seine Richtung. Strecke den Oberkörper und aktiviere die Bauchmuskulatur. Bring den Körper zunächst in einen 90-Grad-Winkel.
Wenn du dich hier sicher fühlst, kannst du abwechselnd ein Bein nach oben strecken und wieder senken. Steigere dich so langsam bis du frei im Handstand stehen kannst.
Noch mehr Infos & Übungen findest du hier:
Clemens G. Arvay/Mariya Beer: Das Biophilia-Training, edition a 2016