Wir leben in aufwühlenden Zeiten. Viele Menschen spüren, dass das Alte nicht mehr trägt, das Neue aber noch nicht in Sicht ist. Das auszuhalten ist nicht einfach, aber mit einer Prise Selbstliebe und einem Pfund Geduld ist es möglich.
Das Alte trägt sich nicht mehr, das Neue ist aber noch nicht in Sicht
Alle Menschen, die mir gerade begegnen – sei es privat oder beruflich -, scheinen sich in einem ähnlichen Zustand zu befinden: Das Alte trägt nicht mehr, aber das Neue ist noch nicht in Sicht. Puh… kein einfacher Zustand. Vor allen Dingen nicht für solche Menschen, die es gewohnt sind, strategisch vorzugehen, Pläne zu schmieden und mit klarem Ziel vor Augen ihren Weg zu gehen. Aber selbst sie sind verunsichert und haben das Gefühl, dass ihnen das Leben permanent Knüppel zwischen die Beine wirft oder etwas milder ausgedrückt, ihre Pläne einfach über den Haufen wirft.
In das Nicht-Wissen hineinvertrauen
Das auszuhalten ist nicht einfach. Gleichwohl aber scheint es die Aufgabe zu sein, die das Leben gerade für uns bereithält. Alles, was wir in einer solche Phase tun können, ist, uns zurückzulehnen und in das Leben als unseren Lehrer und Begleiter zu vertrauen. Wenn wir aufhören, das Leben kontrollieren zu wollen, dann kann es sich einen ganz neuen Weg ebnen. Den Weg der eigenen Bestimmung. Wenn das nur so einfach wäre, in den Prozess des Lebens zu vertrauen.
Was ist Vertrauen?
Vertrauen ist ein großes Wort. Vor allen Dingen aber ist es ein Tu-Wort. Nur dann, wenn wir vertrauen und uns ganz auf das Leben einlassen, werden wir sanft durch diese wilden und aufwühlenden Zeiten kommen. Dann werden wir mit dem Leben fließen und nicht untergehen, weil wir versuchen, uns an alten Gewohnheiten, verkrusteten Strukturen und überholten Beziehungen festzuhalten. Vertrauen hat auch damit zu tun, dass wir unserem Verstand nicht alles glauben, sondern auf unser Bauchgefühl und unsere Intuition hören. Auch das ist keine leichte Übung.
All das sind Vorgehensweisen, die wir verlernt haben. Oder ist es richtiger zu sagen, dass sie uns abtrainiert wurden? Die meisten Menschen hetzen den immer größer werdenden Anforderungen des Alltags hinterher, sodass sie keine Zeit mehr finden, um sich Zeit für Innenschau, Reflexion und Lauschen zu nehmen. Dabei sind es genau diese Zutaten, die wir brauchen, um gut durch die heutige Zeit zu kommen.
Du bist nicht alleine
Auch wenn die Zeiten ver-rückt und schwierig sind, so finde ich es sehr beruhigend, dass viele Menschen gerade durch einen so tiefen transformierenden Prozess gehen. Dieser Transformationsprozess betrifft nämlich uns alle als Menschheit. Im Vordergrund dieses transformierenden Prozesses steht, dass wir in die Selbstermächtigung kommen. Wir sind aufgefordert, bewährte Rollen hinter uns zu lassen und vollkommen in die Selbstverantwortung zu kommen.
Auch wenn wir nicht wissen, wie unser Leben weitergehen wird und was für uns auf dem Plan steht, so können wir uns darin schulen, dass wir innerlich ein „Ja!“ sagen zu dem, was sich zeigen will. „Alles was ist, darf sein!“ lautet eins meiner Lieblingsmottos. Und „Alles, was transformiert werden möchte, darf sich ebenfalls zeigen.“
Transformation kann wehtun. So wie auch Häutung wehtut. Die Raupe ist in ihrem Kokon gefangen, so lange bis die Zeit reif ist. Auch die Schlange muss sich dem Prozess der Häutung hingeben. Und gleichzeitig erkennen viele Menschen, dass sie an einem Punkt in ihrem Leben angekommen sind, an dem sie sich diesem Transformationsprozess stellen müssen.
Von Moment zu Moment da sein
Wie aber können wir uns in das Nicht-Wissen hinein entspannen? Die Achtsamkeit hat mir hier viel gelernt. Jon Kabat-Zinn hat den Satz geprägt, dass es darum geht, von Moment zu Moment mit dem zu sein, was sich gerade zeigt. Es ist eine große Kunst. Es ist eine große Herausforderung, aber auch ein großes Geschenk!
Gelingt es mir, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein, dann erkenne ich, dass es eh nur diesen einen Moment gibt. Dieses „Jetzt“ wie Eckhart Tolle es beschreibt. Alles andere sind nur Erinnerungen und Zukunftsvorstellungen.
Der Yoga und die Präsenz
Der Yoga hat zum Glück zahlreiche Methoden und Ansätze bereit, um uns in den gegenwärtigen Moment zu führen. Lasse ich mich ganz und gar auf ein Asana ein, dann komme ich im Jetzt an und befinde mich zugleich im Zustand des Yoga. Körper und Geist sind eins. In diesem Zustand kann es geschehen, dass ich vom Nicht-Wissen in das All-Wissen hineinfalle. Dann kann ich von einem Moment auf den anderen eine Anbindung erfahren, die mich mit der Quellen allen Wissens und Nicht-Wissens verbindet. Was für ein Geschenk. Was für eine Gnade. Was für ein Segen, eine solche Erfahrung ist.
Erfahre ich dieses All-Wissen, erkenne ich, dass alles gut ist, so wie es ist. Es offenbart sich die Vollkommenheit in allem Sein. Und auch wenn in diesem Sein gerade scheinbar nichts passiert. So wie wir im Winter auch manchmal das Gefühl haben, dass nichts passiert. Dabei bereitet sich die Erde auf den Frühling und das Wachstum vor.
Ein neuer Zyklus beginnt. Und ehe ich mich versehe, schaue ich mich um – so wie ich es auch jetzt in diesen Wochen tue, und sehe eine wunderschöne Frühlingslandschaft, in der alles blüht und gedeiht. Ohne das menschliche Zutun. Ohne künstliche Intelligenz.
Einatmen. Ausatmen. Loslassen.
Der Yoga hat auch wunderbare und zahlreiche Atemtechniken, die uns darin unterstützen können, von Moment zu Moment in der Präsenz anwesend zu sein. Der Atem ist sogar meiner eigenen Erfahrung nach die Brücke ins Jetzt. Wenn ich in einem Asana bin, aber meinen Atem nicht wirklich bewusst und tief erfahre, dann werde ich auch den Zustand des Yoga nicht wirklich erfahren können. Schließlich hängt doch alles miteinander zusammen.
Der Atem kann mich auch darin unterstützen, in das Nicht-Wissen hinein zu vertrauen. Lasse ich im Ausatem vollkommen los, so kann ich in den Zustand des Nicht-Wissens hineinfallen und erkennen, dass ich gehalten werden von etwas, das größer ist als mein kleines Ich, das so große Angst davor hat, mich in dieses Nicht-Wissen hinein zu entspannen. Ein einziger Atemzug kann hier ein tiefes Vertrauen schaffen und die Basis für eine neue Zukunft legen. Eine Zukunft, die auf das Vertrauen in das Unvorhersehbare des Lebens basiert.
Ein Atemzug kann auch jene Brücke werden, die eine Verbindung schafft zu jenem Wissen, das weiß, dass das Unvorhersehbare im Leben die größten Lektionen und größten Geschenke für mich bereithält.
Was für ein Wunder. Was für ein Mysterium, dieses Leben doch ist… So wünsche ich dir und mir, dass wir lernen, mehr und mehr in das Nicht-Wissen hineinzuentspannen. Voller Neugier. Voller Vertrauen. Voller Zuversicht!