Anfang November 2023 erschien der Film „Soultribe – Ein Tanz des Lebens“. Der Film zeigt, dass sich auf dem gemeinsamen Weg von drei Paaren, die als Visionäre, Künstler und Unternehmer ihr Leben so individuell wie möglich zu leben versuchen, immer wieder Probleme auftun. Alle Hauptdarsteller haben mit Hürden und Rückschlägen zu kämpfen: gesundheitlich, gesellschaftlich oder finanziell. Es wird deutlich, wie sie mit dem Spagat zwischen Partnerschaft, beruflichen Projekten sowie der eigenen kreativen Entfaltung zu kämpfen haben. Es wird deutlich, wie groß der Wunsch ist, sich aus dem engen, auf Profit orientierten Hamsterrad der Gesellschaft zu befreien, um ein eigenes Leben entfalten zu können. Ein grenzenloses Leben, bei dem sich auch die Kinder frei entfalten können. Es ist ein Film mitten aus dem Leben. Jeder kennt diesen Wunsch nach Freiheit, Entfaltung und Verbindung. Die drei Paare lernen sich mit der Zeit immer besser kennen und genießen die Co-Kreationen, die sich nach und nach ergeben. Der Film schenkt Trost. Er zeigt: Ich bin nicht allein mit den täglichen Herausforderungen. Und er macht deutlich: Gemeinsam sind wir stärker.
Spiritualität im Alltag: tägliche Herausforderungen meistern
Zeitgleich als ich den Film sah, fiel mir die Autobiografie von Krishna Das „Mit den Augen der Liebe“ ein, über die wir in YOGA AKTUELL berichtet haben und der auch in verschiedenen Interviews mit uns immer wieder über seine inneren Dämonen sprach. Er selbst leidet immer wieder unter schweren Depressionen.
Auch ich selbst hatte im Jahr 2010 mit einer schweren Angsterkrankung zu kämpfen, über die ich in meinem Buch „Die Angst, der Buddha und ich“ geschrieben habe. Krishna Das findet Trost und Unterstützung im Kirtan. Mir persönlich halfen damals schon viele Praktiken aus dem Buddhismus, um die Krankheit zu überwinden. In dem Film „Soultribe“ ist eine kurze Einstellung zu sehen, in der SEOM meditiert und die anderen beiden Männer in der Natur auftanken.
Für die Protagonisten des Films „Soultribe“ war es eine große Herausforderung und es erforderte viel Mut, sich so „nackt“ zu zeigen. Auch SEOM, einer der Hauptdarsteller des Filmes, der als Musiker so vielen Menschen mit seinen Liedern Zuversicht und Glück schenkt, zeigte sich in dem Film immer wieder sehr ehrlich und verletzlich. In einer Szene gab er sehr traurig vor seiner Frau zu, dass er den Menschen in seinen Liedern erzählt, wie es geht, glücklich zu sein, und er selbst unter den Herausforderungen des Alltags leidet.
Damit ist er nicht allein, der gute SEOM. Wir alle, die wir als Yoga-, Meditations-, Achtsamkeitslehrer oder Coaches arbeiten oder als Visionäre unterwegs sind, haben mit unterschiedlichsten Stimmungen, dem Alltag und den Herausforderungen des Lebens zu kämpfen. Und diese haben in den letzten Jahren bei den meisten Menschen beträchtlich zugenommen.
Nur Mut: sei ehrlich!
Ich habe mich über den Mut von SEOM und den anderen Hauptdarstellern des Filmes gefreut, weil sie damit ihre Menschlichkeit deutlich machen und sich zeigen. Ungeschminkt. Verletzlich. Und doch immer wieder hoffnungsvoll. Ich glaube, viele Yogalehrer kennen die Diskrepanz zwischen dem, wie sie sich selbst gerne innerlich fühlen würden und der Realität, die uns mit inneren Dämonen und Herausforderungen des Lebens wie Verlusten, Enttäuschungen, gesundheitlichen Problemen usw. konfrontiert. Die ungeschönte Realität, die uns immer wieder auffordert, aufzustehen und weiterzugehen.
Problematisch wird es, so finde ich, wenn nach außen hin immer das Gefühl vermittelt wird, als wäre man / frau immer tiefenentspannt und völlig gelassen. Leider erlebe ich hier immer wieder, dass genau dieser Eindruck vermittelt wird: Auf Instagram wird gelächelt und nach dem Selfie spiegelt sich die Frustration, Erschöpfung oder Einsamkeit in den Gesichtern und Gemütern wider. Wenn wir im Sinne des Yoga leben und lehren wollen, dann sollten wir doch lieber alle ein bisschen ehrlicher sein mit dem, wie es uns geht. Das bedeutet nicht, dass wir Nabelschau mit unseren Problemen betreiben müssen. Aber ein realistischer Abgleich täte wohl allen gut und würde enorm viel Stress bei anderen reduzieren, die sich immer denken: „Oh mein Gott! Alle anderen sind immer gut drauf, schön und glücklich – nur ich krieg es nicht auf die Reihe.“
Eine tägliche Praxis etablieren
Wenn wir beginnen, das, was wir anderen auf der Matte beibringen oder auf dem Meditationskissen vermitteln wollen, in erster Linie erst einmal für uns selbst zu machen, sind wir gut beraten. Dann werden wir demütig und erkennen, dass Stolpersteine Teil des Lebens sind. Dann hören wir auch auf, jemand anderes sein zu wollen, als wir nach außen präsentieren. Dann erkennen wir, wie wertvoll es ist, wenn wir uns selbst immer wieder auf die Matte begeben oder auf dem Meditationskissen den Blick nach innen richten, um uns selbst liebevoll zu begegnen.
Sei du selbst
Der wohl wichtigste Schritt bei der Etablierung einer persönlichen, fruchtbaren Praxis ist, dass wir uns so annehmen, wie wir sind. Mit all unseren Ecken und Kanten und mit all unseren Eigenarten. Wenn wir aufhören, eine schlechte Kopie unserer Yogalehrerin, unseres Meditationslehrers oder spirituellen Vorbilds werden zu wollen, besteht die Chance, dass wir uns selbst auf der Yogamatte oder dem Meditationskissen sehr nah kommen können. Denn so lange, wie wir jemand anderes sein wollen, sind wir getrennt von uns, können uns nicht wirklich spüren. Wir rennen einem Ideal hinterher, dass wir niemals erreichen werden. Sind wir aber wir selbst und begegnen wir all dem, was während der Meditation auftaucht, werden wir menschlicher, verletzlicher und nahbarer.
Jack Kornfield beschreibt so wunderbar in seinem Buch: „Das weise Herz“, dass so viele der Meditationsteilnehmer, die zum ersten Mal in sein Retreat kamen, Probleme damit hatten, sich selbst anzunehmen. Sie wollten so wie ihre spirituellen Ideale werden. In dem Moment, in dem sie aber von diesen Idealen loslassen konnten, ging eine wichtige innere Türe auf: die Tür zum eigenen Herzen. Und von da an wurde die spirituelle tägliche Praxis ein einziger heilsamer Prozess, bei dem es nicht mehr darum ging, irgendwo hinzukommen, sondern ganz einfach liebevoll mit dem zu sein, was ist und dass wir alle liebenswert sind, so wie wir wirklich sind – auch inmitten all der Herausforderungen, die das Leben immer wieder an uns selbst.
Soultribe – Ein Tanz des Lebens, Deutschland Österreich 2022/2023 Spielfilm