Klänge vermögen heilsam auf tiefe Schichten unseres Körper und unserer Seele zu wirken. Emily und Peter Hess erforschen die Kraft der Klangschalen seit vielen Jahren und arbeiten mit einer Form der Massage, die auf jeden Menschen individuell eingeht
Ich liege am Strand auf einer Unterlage, bedeckt von einem dünnen Tuch. Umgeben bin ich von verschiedenen Klangschalen. Zu meiner Linken, auf meiner Herzseite, sitzt Emily Hess. Die Klangtherapeutin und Yogalehrerin schlägt in den nächsten 30 Minuten immer wieder die verschiedenen Klangschalen an und webt so nach und nach einen Klangteppich, der mich trägt und mich durchdringt. Ich gebe mich dem Klang hin, der mich mal von den Füßen, mal von der Seite, mal vom Kopfende her mit seiner feinen Energie dazu bewegt, all die Gedanken und die Anspannung, die sich für mich spürbar in meinen Zellen verankert haben, loszulassen. Nach und nach sinke ich mehr in die Unterlage. Ich fühle mich geborgen. Das Tuch, unter dem ich liege, vermittelt mir Schutz und Sicherheit. Alles wird zu Klang. Alles wird zu Energie. Alles ist plötzlich gut. Nach einer halben Stunde ist meine erste Klangmassage, diese Erfahrung jenseits von Raum und Zeit, leider zu Ende. Noch viel länger hätte ich mich dieser Erfahrung hingeben können. Jetzt weiß ich, warum so viele Menschen davon schwärmen. Und jetzt weiß ich auch, dass es sicherlich nicht das letzte Mal gewesen ist.
Entspannung für Groß und Klein
Emily Hess weiß aus Erfahrung, wie angenehm und wirksam die obertonreichen und heilenden Klänge einer solchen Massage sind. Vor mehr als 25 Jahren, als sie noch als Erzieherin in einer Anlaufstelle für schwer erziehbare Kinder arbeitete, war sie auf der Suche nach Unterstützung für ihre Schützlinge. Viele der Kinder waren nervös, traumatisiert und orientierungslos. Sie brachten Emily hier und da in ihre eigenen Grenzen. Als sie die erste Klangmassage bei Peter Hess erlebte, war sie so angetan von der spannungsabbauenden Wirkung der Massage, dass sie eine Klangschale mit zu sich ins Heim nahm. Sie platzierte diese neben dem Herd. Während die Kinder sie zuvor immer mit Fragen vom Kochen abgehalten oder sich währenddessen gestritten hatten, schlugen sie jetzt immer wieder voller Begeisterung die Klangschale an, die eine beruhigende Wirkung sowohl auf die Kinder als auch auf Emily hatte. Diese unmittelbare, praktische Erfahrung überzeugte sie so sehr, dass sie sich nicht nur in die Massageform, sondern auch kurze Zeit darauf in Peter Hess, der eine eigene Form der Klangmassage entwickelt hat, verliebte. Seitdem ist sie mit viel Herzblut mit der Erforschung und Weiterentwicklung der unterschiedlichsten Klangmassagen beschäftigt.
Polaritäten bewusst nutzen
In den letzten Jahren kommen auch vermehrt Yogalehrer in ihre Fortbildung. Und das nicht nur, weil Emily selbst Yogalehrerin ist, sondern weil viele selbst erfahren haben, wie bereichernd die Arbeit mit Klang im Yogaunterricht sein kann. Viele Yogaschüler, und neuerdings auch immer mehr Yogalehrer, leiden unter Stress und Ängsten. Steigende Anforderungen, beruflicher Druck sowie Reizüberflutung spielen hier eine wesentliche Rolle. In unserer Kultur haben wir vollkommen vergessen, wie wichtig und wohltuend Klänge und Musik sind. Ganz im Gegensatz zu den Menschen in Indien und Nepal. In Nepal spielen Musik und Klang sogar eine so zentrale Rolle, dass es dafür eigene Gottheiten gibt. Sie sind in der Energie und Wirkung entgegengesetzt, also polar. Der Musikgott Nasadjor steht auf Plätzen, die energetisch wohltuend, stärkend und harmonisierend sind. Ähnliche Energien finden wir übrigens auch bei uns an Wallfahrsorten oder an energetischen Kraftorten. Solche Orte suchen wir instinktiv auf, um dort aufzutanken. Der Musikgott Haimadjor hingegen steht auf Plätzen, die Bewegung, Unruhe und Herausforderungen bringen.
In Nepal schätzt man die Prinzipien der Polarität viel mehr als bei uns, und deshalb sind die polaren Gottheiten gleich wichtig und werden im Ritual gleichermaßen beachtet. Denn sie beide spielen für unsere Weiterentwicklung dieselbe Rolle. Es ist wichtig, um die Polarität von Anspannung und Entspannung zu wissen, denn nur mit ihr können wir körperliche und geistige Gesundheit erzielen. Ähnlich, wie man bei einem verstimmten Saiteninstrument erst die Saiten entspannt, um sie dann neu zu stimmen. Wenn wir also über die Maßen gestresst und überanstrengt sind, brauchen wir die Entspannung, um wieder kreativ und produktiv sein zu können. Sie ist die Grundlage, um uns einlassen, loslassen zu können, zu erkennen, was wichtig ist, und dementsprechend Prioritäten zu setzen. Sie ermöglicht uns, eine tiefe Erfahrung des Urvertrauens machen zu können – jenes Gefühls, das uns allen innewohnt, das wir aber durch die zahlreichen Störungen und äußere Einflüsse immer mehr verlieren. Mit Hilfe der Klangmassage können wir dieses Gefühl wiederfinden. Dass dies möglich ist, habe ich selbst erfahren können.
Vielfache Einsatzmöglichkeiten
Mittlerweile weiß man übrigens auch, dass die Klangmassage viel mehr kann, als uns in Entspannung zu versetzen. Aus dem Bereich der Chirurgie und Physiotherapie weiß man, dass durch die Anwendung von Klangmassagen Brüche und Narben besser heilen, Gewebe besser durchblutet und die Gesundung insgesamt beschleunigt wird. Phänomene, die sich auf die entspannende, stressreduzierende Wirkung der Klänge zurückführen lassen.
Richtig angewandt, fördert die Klangmassage zudem das Entstehen einer emotionalen Resonanz als Beziehungsphänomen zwischen zwei Menschen. Ein vertrauensvolles, annehmendes Verhältnis zwischen Arzt und Patient, aber auch zwischen Yogalehrer und Schüler ist sowohl für den Genesungsprozess als auch für die Entspannung und das innere Wachstum von sehr großer Bedeutung.
Für jeden Bereich die richtige Schale
Durch Emily und Peter Hess mit ihrem Team am Peter Hess Institut und durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Universitäten konnte die Klangmassage inzwischen große Seriosität und Glaubwürdigkeit erlangen. Peter Hess, der die Klangschalen in den 60er Jahren als ein obertonreiches Instrument in Nepal kennengelernt hatte, erforschte ihre Wirkung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich und setzt sie in seinen Kursen und Ausbildungen entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse ein. So arbeitet er mit ausgewählten und qualitativ hochwertigen Klangschalen z.B. bei Schulter- und Nackenverspannungen, bei Beschwerden im unteren Lendenwirbelbereich oder auch bei Unterleibsbeschwerden. Der Tonbereich der Klangschalen entspricht dabei jeweils der Körperregion: ein tiefes Klangspektrum wird für den Unterleib, ein hohes Klangspektrum für den Oberkörper und klare, noch höhere Töne werden für den Kopfbereich eingesetzt. Durch den angenehmen und entspannenden Klangraum der Klangschalen und ihre sanften Schwingungen erfolge eine wohltuende Massage im Körper. Die Erfolge mit dieser Art von Massagen sind auch heute für Peter und Emily Hess immer wieder überwältigend.
Jeder Mensch ist einzigartig
Überwältigend ist auch, wie einzigartig jeder Mensch auf eine Klangschale reagiert – und dies sollte auch stets beachtet werden. Hier schließt sich für Emily Hess übrigens wieder der Kreis zum Yoga. Denn so wie man den Yoga an den Menschen anpassen sollte – und nicht umgekehrt den Menschen an den Yoga – so sollte man auch bei Klangmassagen die Individualität jedes Menschen berücksichtigen. In ihren Seminaren mit Yogalehrern und -schülern konnte Emily immer wieder beobachten, dass die gleiche Klangschale bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich klingt. Bei einer Übung wird zum Beispiel zunächst die sogenannte Gelenkschale auf einer neutralen Unterlage angeschlagen. Anschließend nimmt man den Klang wahr. Nun wird nacheinander die Klangschale auf die linke Hand eines jeden Teilnehmers gestellt. Die Hand sollte dabei möglichst entspannt sein. Die Klangschale wird immer mit dem gleichen Schlägel möglichst mit gleicher Stärke angeschlagen. Zu hören – aber auch elektronisch zu messen – ist, dass jeder Mensch sein ganz eigenes, unverwechselbares Klangprofil hat. Die Resonanzkörper der Menschen sind somit individuell unterschiedlich. Alle Körperhohlräume (Knochen, Gewebe, Organe), alle Zellen nehmen die Schwingung einer Klangschale auf und treten mit ihr in einen Resonanzprozess, d.h. sie reagieren auf die äußeren Klänge. Das individuell entstehende Klangprofil zeigt zum Beispiel, welche Frequenzanteile der Klangschale nicht in Resonanz mit der Person kommen. Manchmal hat man den Eindruck, dass diese Frequenzen fehlen und sie vom Körper regelrecht geschluckt werden. Dem Körper werden bei einer Klangbehandlung dann ständig diese Frequenzen angeboten – sozusagen als Nahrung, die er dringend braucht.
Überwältigend ist es aber auch sowohl für die Klangtherapeuten als auch für die Empfänger einer Massage, dass sich bereits nach mehreren Behandlungen das Klangbild einer Person verändert. Besonders beeindruckend war diese Erfahrung auch für Yogapraktizierende, die eine Klangmassage während der Asanapraxis ausführten. Sie konnten beobachten, dass zum Beispiel bei einer Klangschale mit einem schnell abflachenden Klang, bei dem die tiefen Frequenzen fehlen und die hohen Töne fast schrill ertönen, nach einigen Behandlungen ein voller, lang andauernder Klang mit einer harmonischen Frequenzverteilung von tiefen und hohen Tönen erreicht werden konnte. Dies ist ein offenkundiges Zeichen dafür, dass sich eine Harmonie im Körper und zu den Klängen der Klangschale eingestellt hat. Verhärtungen im Gewebe oder in der Muskulatur haben sich gelöst, so dass eine Resonanz zum Klang der Klangschale geschehen kann. Je tiefer die Lösung von Verhärtungen im Gewebe und von Anspannung im Geist möglich ist, desto öfter und unmittelbarer können wir über die Klangmassage eine tiefe Erfahrung von Entspannung und möglicherweise auch von Urvertrauen machen und erkennen, dass alles Energie ist, alles fließt und alles in einer kosmischen Ordnung gut ist oder gut wird.
Weiter Informationen unter:
www.peter-hess-zentrum.de
Zum Weiterlesen:
Peter Hess: Die heilende Kraft der Klangmassage, Irisiana Verlag 2012