Im Thriller „Red Lights“ des spanischen Regisseurs Rodrigo Cortés entlarvt die Wissenschaftlerin Dr. Margaret Matheson (Sigourney Weaver) Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten als Scharlatane. Zudem vermittelt sie diese spezielle Art der Aufklärungsarbeit an der Universität. Sie und ihr Assistent, der Physiker Dr. Tom Buckley (Cillian Murphy), gehen angeblich paranormalen Phänomenen auf den Grund. Großspurige Schwindler wie das Möchtegern-Medium Pallodino (Leonardo Sbaraglia) werden während einer einträglichen Show medienwirksam vorgeführt und inhaftiert. Als der vermeintlich blinde sowie berühmt-berüchtigte Mentalist Simon Silver (Robert De Niro) nach dreißig Jahren Öffentlichkeitsabstinenz wieder auf der Bildfläche erscheint, wollen Assistent Buckley und die neue studentische Mitarbeiterin Sally Owen (Elizabeth Olsen) die Fähigkeiten des Superstars bei seiner Tournee untersuchen, doch Dr. Matheson, die Chefin, äußert Bedenken, weil dies zu gefährlich wäre. Noch immer ist Dr. Matheson traumatisiert, da Silver sie vor drei Jahrzehnten in einer TV-Sendung bloßstellte, sie auf ihren noch immer im Koma liegenden Sohn (Jan Cornet) ansprach und sie mit seiner Schlagfertigkeit einschüchterte. Doch ihr Assistent Buckley lässt sich von der riskanten Recherche nicht abhalten …
Levitation und Co: Was steckt dahinter?
In „Red Lights“ beschäftigt sich Rodrigo Cortés mit existenziellen Fragen: Existiert eine Welt außerhalb des rational Greifbaren? Sind paranormale Phänomene mehr als trickreiche Augenwischerei? Gibt es Über-Menschen, für die Naturgesetze nicht gelten? Cortés bietet in diesem Film keine anspruchsvollen philosophischen Diskurse, aber er demaskiert Gedankenleser und charismatische Heiler als eitle und skrupellose Großverdiener. Die erste Hälfte des Films ist eine Dekonstruktion des Übernatürlichen. In der brillant inszenierten Einstiegsszene etwa geht es um eine Familie, deren Haus wiederholt von einem „Poltergeist“ heimgesucht wird. Die Vorgehensweise der von den Eltern zu Hilfe gerufenen Protagonisten Dr. Matheson und Dr. Buckley bei der Untersuchung dieses Phänomens werden in dieser Eingangsszene ebenso gut dargestellt wie die Mentalität der beiden Wissenschaftler.
Das Foto von einem fliegenden Yogi im Lotussitz wird in einer nachfolgenden Szene als authentisch eingeschätzt, aber die skeptischen Wissenschaftler haben herausgefunden, dass für diese effektvollen Vorführungen von Levitation stets Trampoline verwendet werden.
Würden sie zu anderen Ergebnissen kommen und würde ihre Skepsis weichen, wenn sie sich mit den Siddhis, wie sie u.a. in den beiden maßgeblichen Schriften des Yoga, im Yoga-Sutra und in der Hatha-Pradipika, behandelt werden, befassen würden? Im dritten Kapitel des Yoga-Sutra ist mehrfach von den übernatürlichen Kräften die Rede. Da geht es unter anderem darum, beliebig klein, groß, leicht, schwer zu werden und alle Dinge sowie die Elemente zu beherrschen. Aber die Siddhis werden zugleich auch als Gefahr beschrieben. In den Schlussversen der Hatha-Pradipika werden die außergewöhnlichen Fähigkeiten im Kontext des Samadhi folgendermaßen beschrieben: „Der Yogi, der Samadhi erreicht hat, ist unverletzlich für alle Waffen, von Sterblichen nicht zu überwältigen, unangreifbar für Zauberei.“ Ein solcher Yogi wäre ein interessanter Fall für Dr. Matheson und Dr. Buckley …
Leider reißt Rodrigo Cortés in der zweiten Hälfte seines Mystery-Thrillers „Red Lights“ mit viel Getöse und Pyrotechnik ein, was er zuvor dramaturgisch gekonnt aufgebaut hat. Zum einen setzt er ab der Mitte des Films zunehmend auf derbe theatralische Effekte und Hokuspokus, die er zuvor noch als Volksverdummung entlarvt hat, zum anderen lässt er all seine Protagonisten zunehmend schlecht aussehen. Cortés verhält sich bei diesem Film wie ein Chirurg, der seinen Patienten nach zutreffender Diagnose und sorgfältiger Operation vom OP-Tisch stößt und verbluten lässt. Eine solche filmische Konstruktion ist nicht sonderlich intelligent, womit der Gesamteindruck von „Red Lights“ zwiespältig bleibt.
Infos
Kinostart ist am 09. August 2012