Seit Jahrhunderten gilt der Lotos als Sinnbild für das spirituelle Wachstum des Menschen. Wir haben versucht, zu ergründen, warum so viele Kulturen und Religionen sich durch diese Pflanze inspiriert fühlen
Kaum ein Symbol findet man in spirituellen Kreisen und in der Yogaszene häufiger als den Lotos. Doch woher kommt diese Pflanze und warum hat sie so eine große Bedeutung für viele Menschen?
Die Lotosblüte symbolisiert vieles – unter anderem auch die Chakras. Für das Wurzelchakra steht ein vierblättriger Lotos, für die weiteren Chakras jeweils ein sechs-, zehn-, zwölf-, sechzehn-, sechsundneunzig- und schließlich für das Kronenchakra ein tausendblättriger Lotos. Weil die Pflanze im dunklen, sumpfigen Untergrund wurzelt und kraftvoll der Sonne entgegenstrebt, erinnert sie an das spirituelle Wachstum des Menschen, seinen Weg von der Dunkelheit ins Licht. Sie kann aber auch mit einer ganz anderen, sehr konkreten Art des Aufstiegs zu tun haben: In einem Zeitungsartikel („Die Zeit“ vom 16.7. 2015) sagt der berühmte Südtiroler Abenteurer und Bergsteiger Reinhold Messner, in der Logik des Bergsteigens stehe sie für den Weg aus dem Tal zum Gipfel.
Ein Symbol mit vielen Aspekten
Nicht nur in Indien, sondern auch in Japan, China und Ägypten haben die Lotosblüte und ihre Symbolkraft eine große Bedeutung. Sie steht für den Weg des Menschen zum Göttlichen, für Spiritualität, für den Buddhismus. Der Buddha selbst soll auf einer Lotosblüte geboren worden sein. Auch für Erleuchtung, das Universum, Vollkommenheit, Reinheit und Treue steht die Pflanze. Unter anderem werden die Blütenblätter als idealisierte Form der Vulva und somit als göttlicher Quell des Lebens gesehen. So bildet der Lotos Geburt und Wiedergeburt ab, den Ursprung des Lebens, die Schöpfer- und die Sonnengötter. Manchmal werden der männliche Stängel und die weibliche Blüte als Symbole für die spirituelle Vereinigung und Harmonie interpretiert. Gern verschenkt man die Blüten zu Geburten, Hochzeiten, als Liebes- und Opfergabe.
In der indischen Ikonographie sitzen Götter oder Bodhisattvas inmitten flammengleicher Lotosblütenblätter. Der Lotossitz (Padmasana) als eine der klassischen Sitzhaltungen des Yoga ist der Form der Blüte nachempfunden. Barbara Walker schreibt in ihrem Buch „Das geheime Wissen der Frauen“: „Das heidnische Skandinavien stellte noch vom 8. bis 10. Jahrhundert Kunstwerke her, die Figuren im Lotossitz zeigten. Die mittelalterliche Kirche brandmarkte das Sitzen mit gekreuzten Beinen als heidnisches Relikt und verkündete, alle, […]