Im Jahr 1985 schuf der englische Theaterregisseur Peter Brook zusammen mit dem französischen Drehbuchautor Jean-Claude Carrière eine szenische Fassung des indischen Nationalepos Mahabharata. Verfilmt wurde dieses Theaterstück 1989. Es ist im Grunde die Aufzeichnung eines Bühnenkunstwerks, in dem internationale Theaterschauspieler agieren. Dieser 1989 gedrehte dreiteilige Film liegt jetzt auf DVD vor, ergänzt um eine Making-Of-Dokumentation und eine auf knapp drei Stunden gekürzte Kino-Fassung. DVD 1 (204 Min.) beinhaltet „Das Würfelspiel“ und „Die Verbannung“. Auf DVD 2 (166 Min.) sind „Der Krieg“ und das Making-Of im Original mit deutschen Untertiteln zu sehen. Bei beiden DVDs kann man wählen zwischen der deutschen und der englischen Fassung. Die dritte DVD (172 Min.) beinhaltet die Kinofassung im Original mit (erstmalig) deutschen Untertiteln. Zudem gibt es ein ausführliches Booklet mit Informationen zur Entstehung des Films sowie zum Mahabharata aus der Perspektive von Jean-Claude Carrière und Peter Brook.
Zur Rezeption des Mahabharata merkt Peter Brook an: „Als Jean-Claude Carrière und ich uns erstmals an dieses Werk heranwagten, fühlten wir uns wie bei der Begegnung mit einem schlafenden Drachen in einem Märchen oder mit einem Drachen in einer Höhle. Hier war etwas Mächtiges, das schon seit sehr langer Zeit dort liegt und auf den Moment wartet, wenn es sich erheben wird. Ich habe das sehr starke Gefühl, dass in diesem Moment, am Ende des 20. Jahrhunderts, es keiner von uns war, sondern das Mahabharata selbst, das ein Auge aufschlug und sagte: ‚Dies ist der Moment, da ich außerhalb Indiens und besonders im Westen bekannt werden möchte.‘“
Das bedeutet, das Mahabharata spricht zu ihm, aber es kommt zu keinem Dialog und somit zu keiner persönlichen Auseinandersetzung. Was dort in den Ausführungen im Booklet bereits anklingt, tritt bei den Filmsequenzen noch deutlicher zutage. Peter Brooks weckt den alten „Drachen“ und illustriert mit viel Pathos und großen Gesten die dramatischen Szenen, in denen es um den langen und blutigen Kampf zweier Gruppen von Cousins geht.
In Anwesenheit des elefantenköpfigen Ganesha überliefert der Erzähler Vyasa einem Jungen die gewaltige Geschichte der verwandten indischen Familien der Pandavas und Kauravas. Die ersten männlichen Nachkommen der beiden Sippen konkurrieren um das Recht auf das Herrscheramt von Hastinapura. Eine Einigung ist nicht zu erzielen, jedoch wird das Königreich unter ihnen aufgeteilt. Bei einem Würfelspiel nun bringt Yudhishthira, der Erstgeborene der Pandavas, einen waghalsigen Einsatz: den eigenen Anteil am Königreich Hastinapura sowie in einem finalen Spiel sämtliche Ländereien, auch die seiner Brüder. Aufgrund seiner Spielsucht verliert er alles.
Das gesamte Epos handelt von diesen Pandavas, von denen es fünf Brüder gibt, und von den rivalisierenden Kauravas, die hundert Brüder zählen. Dieser an Intrigen reiche Machtkampf gipfelt in einer schicksalsschweren Schlacht. Kurz vor dieser entscheidenden Schlacht zweifelt Arjuna am Sinn eines solchen Gemetzels. Doch Krshna als sein Wagenlenker überzeugt ihn, dass das wahre Schlachtfeld das innere Schlachtfeld ist. Er bagatellisiert den realen Krieg. Aber Krshna vermittelt ihm auch die „uralten Yogaweisheiten“. In der Inszenierung von Peter Brook bleibt es (leider) bei dieser Feststellung. Diese ganze Passage am Ende des zweiten Teils („Die Verbannung“) auf der ersten DVD macht die Bhagavad-Gita aus, die ein Bestandteil des Mahabharata ist und die Situation unmittelbar vor dem Beginn der Schlacht beschreibt. An dieser Stelle des Mahabharata heißt es in Bezug auf Krshna: „Krieger wollen vernichtet werden, und du erfüllst ihnen den Wunsch.“ Gandhari, die Frau des blinden Königs Dhrtharashtra, mit dem sie hundert Söhne zeugt, verflucht Krshna für sein unverantwortliches Handeln, und weil er sich „am Unglück anderer weidet“. Krshna gibt dies zu und akzeptiert den Fluch Gandharis. Die Szenen des abschließenden dritten Teils sind konsequenterweise folgendermaßen betitelt: Abhimanyus (Arjunas Sohn) Tod, Ghatotkachas Tod, Dronas Tod, Dushasans und Karnas Tod, Duryodhanas Tod sowie Krshnas Tod. Krshna stirbt, weil ein Jäger Krshnas Füße mit den Ohren eines Hirsches verwechselte.
Das Mahabharata endet mit der Szene „Die letzten Illusion“. An der Schwelle zum Paradies akzeptiert Yudhishthira, der älteste der fünf Pandava-Söhne, der zu Beginn sämtliche Ländereien verzockt hatte, den Frieden, weil er zu der Erkenntnis gelangt ist, dass doch alles nur eine Illusion ist. Während Yudhishthira ins Paradies eingelassen wird, wo er auf all seine Feinde trifft, stürzen seine Brüder und Dhraupadi, die mit allen fünf Pandava-Brüdern verheiratet war, in den Abgrund der Hölle.
Wer sich für den dramatischen Verlauf der Geschehnisse des Mahabharata interessiert und etwas übrig hat für mehrstündige Theaterinszenierungen, bekommt mit dem vorliegenden dreiteiligen DVD-Paket reichlich Anschauungsmaterial. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten indischer Philosophie findet hier allerdings nicht statt. Es ist eher eine Mischung aus Heldenepos, partieller Verklärung und theatralischer Illustration eines vielschichtigen und monumentalen Textes.