Reale und unrealistische Ängste – wo sie uns helfen, wie sie uns schaden. Der Psychiater Prof. Borwin Bandelow im Interview
Einen Grund, Angst zu haben, gibt es immer: aktuelle Anlässe wie die Finanzkrise oder existenzielle Ängste, wie der Angst vor dem Tod eines geliebten Menschen. Entscheidend aber ist unser Umgang damit. Angst gehört zu unserem Alltag und wir sollten sie nicht nur als unseren Feind betrachten, sondern auch als einen Freund. Schließlich beschützt sie uns immer wieder davor, gedankenlos und fahrlässig zu handeln. Über den Einfluss und Umgang mit der Angst hier ein Gespräch mit dem Angstexperten Prof. Dr. Borwin Bandelow.
Interview
YOGA AKTUELL: Derzeit sind Sie ein vielgefragter Mann: Im Fernsehen, den Medien überall ist Ihre Meinung zur Finanzkrise gefragt. Welches ist die häufigste Frage, die Ihnen gestellt wird?
Borwin Bandelow: Dass ich im Moment in den Medien so präsent bin, liegt wohl an den drei Büchern, die ich geschrieben habe: „Das Angstbuch.“, „Das Buch für Schüchterne“ und „Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein.“ Dadurch verteilen sich die Fragen auch etwas. Aber natürlich sind es momentan schon sehr viel Interviewanfragen, die mit der Finanzkrise zusammenhängen. Es machen sich ja doch sehr viele Menschen Sorgen um ihr Geld.
Sie haben bestimmt nicht nur von Seiten der Medien viele Anfragen, sondern die Angstambulanz in Göttingen, die Sie leiten, ist doch momentan bestimmt übervoll, oder?
Nein, nicht voller als sonst. Das hängt damit zusammen, dass es zwei Arten von Ängsten gibt: die realen und die unrealen Ängste. Die Menschen, die zu mir kommen, haben eher unrealistische Ängste, z.B. vor Fahrstühlen, Mäusen und Hunden oder aber sie bekommen ganz plötzlich Panikattacken. Die Menschen, die sich jetzt in Bezug auf die Finanzkrise Sorgen machen, haben ja direkte, reale Ängste, die nachvollziehbar sind. Sie haben Angst, z.B. arbeitslos zu werden oder Geld zu verlieren. Aber deswegen geht man ja nicht zum Psychiater, weil man nicht davon ausgeht, dass der Psychiater die Finanzkrise löst. Oder die Menschen, die im Moment viel Geld verlieren, machen das auch eher mit sich selbst aus und kommen deshalb nicht zu mir. Außerdem haben die Menschen, die jetzt Geld mit Aktien verloren haben, sowieso so viel Geld, dass sie überhaupt Aktien kaufen konnten, dass sie sich nicht gleich […]