Du bist unsterblich, sagt der Tod – die Geschichte von Nachiketa und Yama aus der Katha-Upanishad.
Im zweiten Teil dieser neuen Kolumne möchte ich Euch einen der bekanntesten Weisheitstexte Indiens vorstellen, die Katha-Upanishad. Sie ist als Dialog verfasst: Ein Gespräch zwischen Nachiketa, einem Buben von vielleicht elf oder zwölf Jahren, und Yama, dem Gott des Todes. In diesem Gespräch trotzt Nachiketa dem Herrscher über Leben und Tod das Geheimnis der Unsterblichkeit ab. Und so trägt diese Geschichte sich zu:
Nachiketas Vater, ein Brahmane mit Namen Vajashrava, will ein Ritual abhalten, von welchem er sich erhofft, nach seinem Tod in den Himmel zu kommen. Es sei erwähnt, dass die indischen Himmelsregionen zwar große Freuden versprechen, nicht aber Unsterblichkeit. Dort verbringen die Menschen, je nach angesammeltem Karma, eine bestimmte Zeit, um sich dann aufs Neue zu inkarnieren, um die Schule des Lebens, wo Freud und Leid die ständigen Begleiter sind, weiter zu besuchen. Vajashrava sucht den Himmel, ja, nicht aber die vollständige Befreiung, vielmehr nur eine Zeit der Rast nach einem anstrengenden Leben.
Das traditionelle Ritual sieht vor, allen Besitz zu verschenken. Vajashrava scheint freilich die Götter hintergehen zu wollen, denn er will nur die schwächsten seiner Kühe verschenken, kranke Tiere, die sich kaum noch auf den Beinen halten können, geschweige denn Milch geben oder kalben. Als sein Sohn, der trotz seiner Jugend ein außergewöhnlich reifes Wesen ist, sieht, was der Vater da vorhat, ist er entsetzt und fürchtet, Vajashrava würde für dies unwahrhaftige Ritual nach seinem Tod nichts außer ein freudloses Dasein erfahren können. Er konfrontiert ihn mit einer Provokation. „Wem willst Du mich opfern, Vater?“, fragt er. Vajashrava schweigt. „Sag schon, wem willst Du mich opfern?“, setzt Nachiketa ein zweites und auch ein drittes Mal nach. Sein Vater wird zornig und ruft aus: „Dich schicke ich zu Yama, dem Herrn der Unterwelt!“ (Das mag uns ein wenig an das bekannte Diktum erinnern: „Geh doch hin, wo der Pfeffer wächst!“)
Nachiketa, der Brahmanensohn, ist es gewohnt, zu gehorchen. Er nimmt den Wutausbruch seines Vaters wörtlich und macht sich auf den Weg ins Reich des Todes. (Wir erfahren nichts von seiner Reise dorthin.) Yama ist nicht zu Hause, seine Diener bitten den Jungen, zu warten. Nachicketa […]