Wohl kaum ein Tier berührt den Menschen durch seine Sanftmut so unmittelbar im Herzen wie das Reh. Wem es als Krafttier begegnet, der weiß, dass es darum geht, Anmut und Grazie in das eigene Leben zu integrieren.
Capreolus capreolus lautet der lateinische Name des Rehs, das ursprünglich als kleinste Art aus der Familie der Hirsche Waldrandzonen und -lichtungen besiedelt, aber auch in unterwuchsreichen Lebensräumen wie Auen, Deltas und Rieden anzutreffen ist. Rehe haben sich an alle Lebensräume angepasst, sind aber am häufigsten im Wald anzutreffen. Dort verstecken sie sich tagsüber im Dickicht. Ihre Nahrung suchen sie hauptsächlich in der Morgen- und Abenddämmerung, bewegen sich also im Schutz der Dunkelheit. Dies tun sie, um Füchsen, Wildschweinen oder Wölfen, denen sie zum Opfer zu fallen könnten, nicht über den Weg zu laufen. Sobald sie aufgeschreckt werden, suchen sie aber sofort wieder in wenigen und schnellen Sprüngen Zuflucht im Dickicht, um sich in Sicherheit zu bringen. Manche Tiere leben als Wanderer und betreten keinen Weg zweimal, weil sie dadurch für Raubtiere schwerer auszumachen sind.
Auch ein naher Verwandter des Rehs soll hier Erwähnung finden: der Hirsch (Rothirsch). Reh und Hirsch werden oft verwechselt oder für dieselbe Art gehalten, sind jedoch zwei verschiedene Tierarten. In der Mythologie tauchen beide auf.
Rehe sind auf allen Kontinenten anzutreffen, außer in Australien. Während des Sommers sind Rehe häufig Einzelgänger oder leben in kleinen Gruppen, bestehend aus einer Ricke und ihren Kitzen. Den Winter hingegen verbringen sie in Gruppen, die auch als Sprünge bezeichnet werden und meist aus drei oder vier Tieren bestehen. In offenen Agrarlandschaften findet man aber auch Sprünge, in denen mehr als 20 Tiere zusammenleben. Als Wiederkäuer haben Rehe einen äußerst abwechslungsreichen Speiseplan, auf dem Gräser, Kräuter, Triebe, Blätter und Knospen stehen.
Das anmutige Reh wechselt mit der Jahreszeit die Farbe seines Fells: Es zeigt sich im Sommer in rotbraun und im Winter in graubraun bis dunkelbraun. Die kleinen Rehkitze entzücken „bambigleich“ mit ihren hellen Punkten auf dem Rücken.
Als Götterboten verehrt
Eine besondere Stellung nehmen die scheuen Vierbeiner in Japan ein. Die Rehe, die im weltbekannten Nara-Park in der alten Kaiserstadt Nara leben, werden als Götterboten verehrt. Sie gelten als lebende Nationalschätze und verleihen diesem Ort auch tatsächlich eine ganz besonders magische Atmosphäre.
[…]