Unter der ersten Speiche des Rades – den Yamas – werden moralische und ethische Verhaltensregeln verstanden, die sich auf den Umgang mit anderen Menschen beziehen und ein friedvolles Miteinander möglich machen. Der Yoga zielt nicht nur darauf ab, innere Zufriedenheit zu erlangen, sondern auch darauf, ein harmonisches Leben und Arbeiten mit anderen möglich zu machen. Mit Hilfe des Yoga lassen sich Konkurrenzdenken, Intoleranz, Neid und Missgunst in gegenseitiges Verständnis, Respekt und Toleranz transformieren.
Wie du mit deinen Mitmenschen umgehst oder dich deiner Umwelt gegenüber verhältst, hängt unter anderem von deinem sozialen und kulturellen Hintergrund, aber auch von deiner Persönlichkeit, deinen Fähigkeiten und deinen Fertigkeiten ab. Das macht dich einzigartig und gibt dir die Möglichkeit, beruflich etwas Besonderes zu bewirken. Gleichzeitig gibt es etwas, was wir alle gemein haben: Wir stammen alle aus der gleichen göttlichen Quelle. Wenn du diesen Aspekt berücksichtigst, wird sich dein Umgang mit anderen ändern. Dann wirst du realisieren, dass du dir selbst schadest, wenn du dein Gegenüber übergehst, übervorteilst oder mobbst. Nach Ansicht der Yogis betrügen wir uns in einem solchen Fall selbst und häufen durch derartige Taten nur negatives Karma an, welches irgendwann wieder auf uns selbst zurückfällt. Der Yoga unterteilt einen heilvollen Umgang mit anderen in folgende fünf Aspekte: Gewaltlosigkeit, Ehrlichkeit, Nicht-Stehlen, Enthaltung von Sinnlichkeit, Nicht-Horten.
Gewaltlosigkeit
Füge einem anderen Menschen keine körperlichen Schmerzen zu und übe keine Gewalt auf ihn aus. Verletze ihn nicht durch Worte oder Gedanken. Achte darauf, wie du über deine Kollegen, deinen Chef oder Kunden denkst. Wie schnell verurteilen wir etwa einen Arbeitskollegen, wenn er nicht unseren äußeren Vorstellungen entspricht, anders denkt und eine andere Arbeitsweise hat, wie wir selbst. Wir bewerten ihn vorschnell negativ und lehnen ihn infolgedessen innerlich ab. Wie schnell setzen wir gerade als Führungspersönlichkeit unsere Meinung durch – ohne Rücksicht auf die der anderen. Und wie schnell kann sich auch unter Arbeitskollegen, die sich gegenseitig nicht sympathisch sind, aus einer Meinungsverschiedenheit ein Streit entzünden, der in gegenseitigen verbalen Verletzungen enden kann und einen gemeinsamen Arbeitsalltag erschwert. Achten wir unser Gegenüber hingegen, werden wir im Austausch mit ihm bewusster, entwickeln mehr Wertschätzung und können friedvoller und effektiver miteinander sein und arbeiten.
Durch eine regelmäßige Yogapraxis lernst du, deinen Geist und deine Gedanken zu beobachten und zu beruhigen. Immer wieder wirst du feststellen, wie sich dein Geist durch Körperübungen, Atemübungen und Meditationen verändert. In dem Moment, in dem dein Geist ruhiger wird, kannst du Alltagssituationen, Arbeitskollegen, Geschäftspartner und Schwierigkeiten in Ruhe betrachten. Dadurch verfeinert sich im Laufe der Zeit die eigene Wahrnehmung, der Geist wird differenzierter und du hörst auf, deine Umwelt vorschnell und pauschal zu beurteilen. Dann wird es dir zum Beispiel in einer beruflichen Auseinandersetzung schneller gelingen, in die Beobachterrolle zu gehen und zu erkennen, warum du so scharf reagierst oder warum du dich so schnell angegriffen fühlst.
Ehrlichkeit
Du erhältst klare Verhältnisse und Zufriedenheit am besten, indem du dir selbst treu bleibst und ehrlich bist – und das natürlich auch deinen Kollegen, Geschäftspartner und Kunden gegenüber. Sei deshalb in Gedanken, Worten und Taten aufrichtig. Indem du ehrlich und wahrhaftig bist, kannst du zu einer Klarheit gelangen, die für aufrichtige Geschäftsbeziehungen notwendig ist. Sie ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das beinhaltet übrigens auch, dass du zum Beispiel auch einmal zugibst, wenn du überfordert bist oder dass du einen Fehler gemacht hast.
Durch eine regelmäßige Yogapraxis lernst du, die Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen. Dann kannst du auch zugeben, dass dir ein Fehler unterlaufen ist, ohne dass du dich dafür schämst. Manchmal kann die Ehrlichkeit auch dazu führen, dass du dir selbst eingestehst, vielleicht einen Beruf auszuüben, der dir gar nicht liegt und den du eigentlich gar nicht von ganzem Herzen ausübst. Dann ist es vielleicht an der Zeit, zu schauen, was deine wirkliche Berufung ist. Und vielleicht wagst du dann auch, dieses zu leben. Dann kann sich ein unerschöpfliches Potential an Kreativität in dir öffnen und zum Ausdruck kommen.
Nicht-Stehlen
Im Sinne des Yoga bedeutet es, dass du dich zum Beispiel nicht des Eigentums deines Arbeitsgebers bemächtigst. Damit kann im Kleinen gemeint sein, dass du nicht auf Betriebskosten aus privatem Interesse heraus im Internet surfst oder stundenlang vom Büro aus mit dem Partner telefonierst. Damit kann aber auch gemeint sein, dass du kein Büromaterial der Firma für deine Privatzwecke verwendest.
Nicht zu stehlen spielt im Arbeitsleben aber auch dann besonders eine Rolle, wenn wir zum Beispiel kreativ arbeiten, denn Nicht-Stehlen beinhaltet auch, sich nicht geistiges Eigentum eines anderen zu eigen zu machen. Bediene dich nicht der Ideen anderer und gib sie nicht als deine eigenen aus. Auch wenn du momentan dabei glänzen magst und du dich dadurch auf den verschiedensten Ebenen bereichern kannst – etwa durch Lob, Anerkennung oder auch wirtschaftlich – so wirst du auch hier – dem Gesetz der Ursache und Wirkung zufolge – früher oder später wieder dafür Rechnung tragen müssen, dass du dich durch etwas bereichert hast, was dir nicht zusteht.
Enthaltung von Sinnlichkeit
Im klassischen Yoga versteht man darunter, dass man mit seinen sinnlichen Gelüsten – und insbesondere seiner Sexualität – ganz bewusst umgeht. Man misst der Energie, die während des Geschlechtsverkehrs freigesetzt wird, eine große Kraft bei, die, wenn sie richtig transformiert wird, im Sinne des Yoga sexuelle Kraft in spirituelle Kraft transzendiert. Im Sinne des Yoga wird darunter verstanden, dass man mit seiner Sexualität am Arbeitsplatz bewusst umgeht. Sexuelle Belästigung ist auch heute noch ein großes Thema in Betrieben und Büros, die dadurch entsteht, dass Menschen ihre sexuellen Gelüste und Triebe nicht kontrollieren können. Gelingt es dir also, entsprechend damit umzugehen, so kannst du auch diese Kräfte zum Wohl des einzelnen und der Firma oder für die Realisation eines Projektes einsetzen.
Im Yoga wird aber auch darunter verstanden, dass man am Arbeitsplatz kein Verhältnis mit seinem Chef, einem verheirateten Arbeitskollegen oder einem Kunden eingeht, wenn man selbst in einer Beziehung lebt. Solche unklaren Verhältnisse bringen früher oder später Schwierigkeiten mit sich, da sie dich und den anderen von der Arbeit ablenken und viel Energie absorbieren. Gelingt es dir hingegen, ganz bewusst Arbeit und Freizeit zu trennen und eine Liebesbeziehung zu führen, die du auch nach außen hin leben kannst, wird sie dich darin unterstützen, Energie freizusetzen, die zu deiner Zufriedenheit führt.
Nicht-Horten
Versuche nicht alles, was dir gefällt, haben zu wollen. Gemeint ist nicht nur das Horten von materiellen Gütern, sondern auch das Ansammeln von Informationen, von Wissen und von Gefühlen. Gerade in der Arbeitswelt besteht die Gefahr des Horten-Wollens, da geschäftlicher Erfolg und Anerkennung zumeist an Äußerlichkeiten festgemacht wird. Ein Geschäftsmann mit einem teuren Auto findet mehr Anerkennung, als einer, der mit einem kleinen Car-Sharing-Wagen zur Geschäftsbesprechung kommt. Ein Wissenschaftler mit einem Professortitel erhält oft mehr Achtung als ein Handwerker, auch wenn dieser eine tiefere Weisheit besitzen kann. Diese oberflächliche und statusorientierte Sichtweise und Bewertung erhöht natürlich die Gefahr des Anhäufens und Hortens, weil wir uns dadurch oftmals mehr Wertschätzung erhoffen – in den Augen der anderen und auch vor uns selbst. Wer aber einmal in einer Meditation oder bei einem einsamen Spaziergang im Wald mit seinem wahren Selbst in Kontakt gekommen ist, der weiß, dass es in uns eine Quelle gibt, die über ein tiefes und unerschöpfliches Wissen und über einen viel größeren Reichtum verfügt und alles von außen zugeführte in den Schatten stellt.