Über die Atempause: Von Kumbhaka zu Buteyko.
Vor Jahren schrieb ich an einem Buch über Pranayama, die Atempraxis des Yoga. Nicht dass mir die Methoden und Ziele dieser Praxis neu gewesen wären, übte ich damals doch schon lange Zeit. Aber wie es so ist, wenn man zu einem Thema, für das man brennt, recherchiert und schreibt: Die Dinge gewinnen an Klarheit. Klarer als je zuvor wurde ich mir der Bedeutung der Atempausen bewusst. Im Hatha-Yoga nennt man sie Kumbhaka, und in diesem Kontext ist wichtig, dass die einzelnen Atempraktiken, die man in ihrer Gesamtheit mit Pranayama überschreibt, alle „Kumbhakas“ genannt werden: Ob Bhastrika, Bhramari, Surya-Bedhana oder alle anderen klassischen Atemübungen – sie alle sind Kumbhakas, wie man in der Hatha-Yoga-Pradipika nachlesen kann, der einflussreichsten Schrift des Hatha-Yoga. Die Atempause ist das Herzstück des Hatha-Yoga-Pranayama.
Das Ziel, das man hier in immer längeren Atempausen sucht, ist ein zutiefst spirituelles, also nicht „nur“ ein ruhiger Geist, sondern die völlige Stille jeder Lebensregung, das Zum-Erliegen-Kommen des Fließens von Prana oder Lebenskraft, wenn man so will: das Sterben eines kleinen Todes noch vor dem eigentlichen Ablegen unseres körperlichen Gefäßes, um einen „Blick in die Ewigkeit“ zu erhaschen und konkret zu erfahren, dass wir mehr sind als Körper, Gefühle und Gedanken. Was könnte uns auch mehr an den physischen Körper binden als der Atem? Mit ihm beginnt unser Leben, und mit ihm endet es.
Das Nachdenken über die Atempause machte mich neugierig. So begann ich die Atempraktiken des tibetischen Yoga zu erforschen, wie sie bei Trul Khor und Tsa Lung zu finden sind. Hier übt man zum Teil sehr fordernde Atempausen, während derer man sich bewegt. Das Ziel ist dabei ebenso spirituell wie das des indischen Yoga, jedoch auf subtile Weise auch ganz anders. Während man im Hatha-Yoga-Pranayama alle Lebensenergie zur Ruhe kommen lassen möchte, um die Bindung an den physischen Körper zu lockern oder temporär sogar zu lösen, nutzt man die Atempausen im tibetischen Yoga, um emotionale Schmerzen loszulassen. Diese werden als Blockaden betrachtet, die uns daran hindern, die Glückseligkeit unserer wahren Natur zu erfahren: Seelischer Schmerz hindert uns am Glücklichsein. Erleuchtung wird als das völlige Loslassen allen Leides gesehen, um sich in totaler Durchlässigkeit dem gegenwärtigen Moment öffnen zu können, was immer […]