Was der Mensch isst, ist seine Privatsache. Genauso wie die Neigung zu einer religiösen oder nicht-religiösen Lebensweise seine eigene Angelegenheit ist. Dennoch sind diese Bereiche mit Ideologien und Dogmen überfrachtet. Es sind unzählige selbsternannte „Aufrufer“ und „Überzeuger“ unterwegs, die uns anhalten, dies oder jenes „so“ zu tun, oder zu lassen. Aufrufer sind im Prinzip schnell entlarvt. Zeigt sich doch im agitativen Wesen des Aufrufenden ein Mangel an Dasein. Dagegen ist ein Mensch mit Dasein seiendes Vorbild – er lebt das, was er empfindet und denkt. Dadurch erübrigen sich nicht enden wollendes Reden und Überzeugungsabsichten.
Historisch betrachtet, sind alle Aufrufe gescheitert – oder im Begriff zu scheitern. Ideologien leben allein von der Hoffnung und der Sehnsucht nach einem ungewissen, spekulativen Erfüllungspunkt irgendwann in der Zukunft. Ideologie ist deshalb frei von Gegenwart.
Auch auf dem Gebiet der Ernährung, unserem aktuellen Schwerpunktthema in dieser Ausgabe, geht es teilweise sehr emotional und dogmatisch zu. In den unzähligen Ernährungsempfehlungen, -ratschlägen und -aufrufen zeigt sich jedoch eines deutlich: Der vom industriellen Zeitgeist bestimmte Mensch ist in einem seiner natürlichsten Grundbedürfnisse zutiefst verunsichert und gestört.
Die Verunsicherung entstand mit dem Verlust von Eigenständigkeit und Selbstbestimmung. Industrielles bzw. wirtschaftliches Wachstum, so wie wir es kennen, lebt von der Verunselbstständigung seiner Systemmitglieder. Denn nur, was der Einzelne an Eigenständigkeit verliert, kann ihm über Umwege als Produkt oder Dienstleistung wieder verkauft werden. Auf diese Weise begann im industriellen Zeitalter unter anderem das Sterben der weitverbreiteten Gemüse- und Obstgärten, und auch die gewohnte Haltung von Hoftieren verschwand von der Bildfläche. Der Untergang des Selbstversorger-Daseins übergab die eigene Ernährungsverantwortung an wirtschaftende Betriebe. Von da an wurden und werden Nahrungsmittel im Banne von ökonomischen Interessen und Zwängen „produziert“, anstatt vom möglichen Überfluss der Erde dankend zu ernten. Im Wachstums- und Optimierungswahn unseres Wirtschaftsystems sind Massenproduktionsbetriebe entstanden, die mit Pflanzen, Tieren und Menschen eiskalt kalkulieren. Mittlerweile sind zahlreiche erschütternde Bilder von Massenpflanzenzucht und Massentierhaltung im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Nur fällt es uns schwer, von der schönen, oftmals täuschenden Verpackung im Supermarkt auf den tatsächlichen Ursprung der Lebensmittel zu schließen.
Die immerwährende Überfülle an Nahrungsmitteln in unseren Supermarktregalen ist jedoch in zweierlei Hinsicht trügerisch: Zum einen zerstört sie das natürliche Maß bezüglich der Lebensmittel, die uns auf natürliche, durch Jahreszeiten und Region abhängige Weise an Qualität und Menge zur Verfügung stünden. Zum anderen täuscht sie einen Überfluss vor, der in unseren Zeiten längst nicht mehr gegeben ist. Die Zahl der Esser hat in den letzten Jahrhunderten drastisch zugenommen, und die Anzahl der Nahrungsmittel, die auf natürliche Weise vorkommen würden, eklatant abgenommen. Allein der immense Einsatz von künstlichen Produktionsmethoden wie Dünge- und Mastmitteln in großem Stil täuscht über den tatsächlichen Nahrungsmangel hinweg. Dieser Mangel wird von der westlichen Welt gekonnt in andere Erdteile, wie z.B. Afrika, verdrängt. Dort ist er seit langem offensichtlich.
Nun kann man sich von all diesem erschüttern lassen oder gar in verschiedene Arten von Aktivismus verfallen. Man kann sich zu den Gutmenschen gesinnen, nur noch biologisch angebaute, faire Produkte kaufen; man kann unzählige Ernährungsratschläge annehmen und mit moralischen Fingern auf die „Bösen“ zeigen. All dies wird jedoch zu keiner Lösung führen. Allein die destruktiven Absonderungen eines durch und durch kranken Systems zu bekämpfen, bindet nur einmal mehr an das System.
Wäre es hier nicht klüger, das System zu verlassen?
Dann beginnt der einsame Weg zurück zu unserem Naturrecht an Eigenständigkeit. Die Entwicklung eines eigenen kleinen Paradieses, eines „Tiergartens“, was Paradies im Ursprung bedeutete, mit Gemüse- und Obstpflanzen sowie Hoftieren zur Selbstversorgung wird uns auf natürliche Weise das rechte Maß zurückgeben. Das Leben mit Pflanzen und Tieren lässt uns deren erdgeistige Macht wiedererspüren und lehrt uns den respektvollen Umgang mit ihnen.
Das Fällen eines Baums, das Ernten einer Pflanze und das Erlegen eines Tiers bewirkt etwas in uns. In diesem Zusammenspiel kann der Mensch seine Handlungen erkennen, denn er ist nah bei der Quelle. Es wird sich auf natürliche Weise zeigen, ob für ihn das Töten einer Pflanze oder eines Tieres möglich ist. Ob er Mutter Erde dafür entschädigen möchte, oder Opfer bringen will, so wie es der Mensch in Urzeiten tat. Ein solcher Mensch übernimmt wieder Verantwortung – die Verantwortung seiner Eigenständigkeit. Er lässt Nahrungsmittelkonzerne, Wurstfabrikanten und Vegetarismusexperten vorüberziehen und nimmt seinen Kopf aus der ideologischen Schlinge.
Das Verlassen des Systems bewirkt das Wiedererwachen des Empfindens. Und dieses Empfinden allein ist es, das den Einzelnen zu einer für ihn guten Ernährung führen kann.
Vielen Dank für diese wunderbaren „neuen“ und ja eigentlich ursprünglichen Blickwinkel. Wohltuend, danke!