Die atheistische Dimension des Yogasutra und die verschiedenen Zustände des meditativen Geistes
Das Erlangen eines meditativen Geisteszustandes unterscheidet sich von Individuum zu Individuum. Manche können sehr rasch in den Zustand der Stille gelangen, andere hingegen benötigen mehr Zeit dafür. Selbst unter denjenigen, die schnell sind, bestehen noch gewisse Unterschiede. (Yogasutra, Part I, Sutra 21-22). Man stellt beträchtliche individuelle Verschiedenheiten hinsichtlich der Intelligenz fest, hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, der Kreativität und so weiter und so ist es offensichtlich auch im Hinblick auf das Erreichen eines gedankenfreien Geistes.
Die Sutras 23 bis 29 aus Teil I sind einem alternativen Weg des Zustandebringens von Meditation gewidmet: eine tiefe Hingabe an ishvara hilft Meditation zu erreichen. Dieses Sutra, das oft aus dem Zusammenhang gerissen wird, hat Patanjalis Kritiker dazu verleitet zu sagen, dass er theistisch sei, da eine der Bedeutungen des Wortes „ishvara“ „Gott“ ist. Hierzu möchte ich zwei Gegenargumente anführen. Zunächst einmal bedeutet das Wort ishvara nicht ausschließlich Gott. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet es zwar den verkörperten Gott, aber in der alten Literatur meint es auch brahman oder die Universalseele, die dem purusha des Samkhya und Yoga entspricht. In der Isha Upanishad heißt es wie folgt::
»Es umgibt alle Dinge,
strahlend und körperlos,
unantastbar und vom Bösen unberührt; alles sehend, allwissend, allgegenwärtig, selbstexistierend.«
Lassen Sie mich den Text der sieben Sutras 23-29 angeben und sie werden sehen, dass Patanjali mit ishvara nicht den verkörperten Gott meint, weil er nämlich selbst eine Erklärung über seinen Gebrauch dieses Wortes und die Bedeutung in dem betreffenden Kontext abgibt.
»Eine tiefe Hingabe an ishvara hilft ebenfalls Meditation zu erreichen. Ishvara ist definiert als das, was unberührt ist von den Leid-Ursachen (klesha), von den Handlungen und ihren Früchten und den Wünschen, die dadurch entstehen. Er ist der Guru sogar der früher geschaffenen Wesen, denn er ist nicht begrenzt durch die Zeit. Sein Name ist pranava oder das Wort „OM“. Dessen Rezitation und Meditation über dessen Bedeutung zerstören alle Hindernisse und bringen Bewusstsein des Allgegenwärtigen.«
Patanjali selbst sagt also klar, was er mit ishvara meint. Und speziell wenn er sagt ‘es ist nicht begrenzt durch die Zeit’, was keinen Zweifel daran lässt, dass er sich auf den purusha oder die kosmische Energie bezieht. Darüber hinaus benennt […]