Wer das große Wagnis eingeht und mit dem Reisegefährt der yogischen Selbsterforschung wandelt, wird über kurz oder lang die Bekanntschaft einer geheimnisvollen Flamme machen. Diese Flamme wird von den Schöpferkräften des Yoga, den Jochas, als inneres „Joch hannisfeuer“ – als Kundalini-Kraft – in all jenen entzündet, die aufrichtigen Herzens darum bitten, sich selbst in ihrem wahren Wesen zu erkennen.
Der Impuls in uns Menschenwesen, uns selbst zu erkennen und das Wesentliche unseres Wesens zu entblättern, ist unserem Wesenskern als Wesensfunke unsterblich eingehaucht.
Unerschöpflich vermag dieser geheimnisvolle Wesensfunke seine Funkensignale auszusenden. Auch aus den dunkelsten Tiefen und selbst den dichtesten Geweben der Materie des Universums strömt unablässig ein geheimer Signalstrom, der uns ermuntert, das große Geheimnis unserer selbst zu lüften, uns geistig zu liften und zu erheben. „Ge heim“ funkt das Signal, geh heim in das Heim des großen Geheimnisses.
Zur Entschlüsselung und Deutung der geheimen Funkensignale wurde dem Menschen von seinen Schöpferwesen „Manas“ gegeben: Er erhielt einen Mentalkörper, der ihm als Werkzeug zum Denken dient. Das Sanskritwort „manas“ = Intellekt, Verstand, Denken, Geist spiegelt sich auch in „manusha“ = Mensch, im englischen „mind“ sowie im deutschen „mental“ wider.
Das Denken ist bis zu einem gewissen Grad – oder besser: bis zum Grad des Gewissens – ein wichtiges Werkzeug der Selbsterkenntnis, der Reflexion und der Selbsterforschung. Das „Men Tal“ beinhaltet jedoch auch Täler, Niederungen und Schluchten, in denen jede Menge Gefahren und Tücken lauern können. Dies wurde im alten Indien als Kama-Manas bezeichnet: Das Denken, der Intellekt ist hier in seinen niederen materiellen Begierden, Wünschen, Beziehungen und Vorstellungen noch gefangen. Der Mensch erschafft sich seine Welt als selbstsüchtige Raumkapsel, die ihn als Kokon mit seinen Spinnereien umspinnt und als Larve niederer Gedanken in Täuschung gefangenhält.
Die yogischen Meister und Meisterinnen aller Zeitalter wissen um die tiefen Täler menschlichen Denkens, sie haben sie einst selbst erfahren. Sie wissen, dass unten in den Tälern das Lärmen und die Bewegungen lauter und zahlreicher sind. Zu laut, um dem wirklichen Wesen des Lebens näherzukommen. Aber sie kennen auch die geheimen Schliche und die Felsensteige, die zum Gipfel des mystischen Weltenberges „Me ru“ führen. Sie wissen, dass „mehr Ruhe“ bzw. „meine Ruhe“ erforderlich ist, um dorthin zu gelangen.
Den Schöpferkräften des Yoga ist bewusst, dass unser Denken auch als „Dünken“ arbeitet, wie früher in gehobenem Deutsch dazu gesagt wurde. Als Dünker oder Dünger auf dem astralen Feld der Wünsche und Begierden. Und so ist es immer die Frage, was mich dünkt und von was ich mich in meinem Denken düngen lasse. Überlasse ich die Befruchtung meines Gedankenfeldes dem Kunstdünger oder der Meinungsjauche der vom Materialismus und Verstandesdünkel versponnenen Larvenkräfte, die noch ohne Gestalt durch ihren Mummenschanz hindurch mit ihrem Larifari die Welt terrorisieren ohne Unterlass. Oder erkenne ich das wahre und ursprüngliche Geschenk des Denkens, das nämlich im Danken liegt. Erst der „Ge danke“, der im Danken und Gedenken an seine Schöpferquelle erwacht, wird auf geheimnisvolle Weise von einem heiligen Geist befruchtet und inspiriert.
Wird das Denken zum Danken gewandelt, darf es seinen Anker, seine Anjochung, sein Jocha im stillen Seelenmeer des großen Geistes finden. Hier entblättert sich Buddhi-Manas, der erhabene Geist. Und dies ist auch die gedankenwandelnde Kraft der heiligen Gesänge und Mantras. Ein solcher Geist ist herangereift, er erfasst intuitiv seine wahre Herkunft und vermag die Funkensignale seines Wesensfunkens zu entschlüsseln.
Für ihn ist die Zeit gekommen, die „Men Täler“ zu verlassen, aus ihnen emporzusteigen zum ruhenden Gipfel des Weltenberges Meru. Vom sich entblätternden Wesensfeuer erleuchtet, offenbart sich ihm ein zum Gipfel emporschlängelnder Pfad, der vom „Ein Samen“ gesäumt, jedoch behütet ist von so manchen erhabenen Wesen, die mit ihrer fördernden Liebe und ihren hohen Gesängen der Ewigkeit dem einen lebendigen Wesen „Gott sei Dank“ erweisen.
Die Spitze des Weltenberges jedoch ruht in vollkommener Stille. Denn Manas, das Denken, ist hier ganz unbekannt.