Die indische Filmindustrie feiert ihr 100-jähriges Bestehen – und lebt nicht nur von dem, was auf der Leinwand stattfindet.
Der typische Bollywood-Film ist wie eine Schokosahnetorte – von allem zu viel, aber trotzdem unwiderstehlich. Liebe, Tragik, Komik und Action sind die Zutaten der meist verwickelten und ultralangen Storys. Mehr Musical als Film, leben die cineastischen Leckereien vor allem von stilübergreifenden Tanzeinlagen, mitsing-kompatiblen Pop-Songs und Kostümschneidern, die sich hemmungslos dem Farbrausch hingeben. „Kitschig“ schimpft der abgeklärte Westler, aber das ist den rund 3,6 Millarden Zuschauern im Jahr herzlich egal.
In Indien hat das Kino einen ganz besonderen Stellenwert. Die ganze (Groß)-Familie strömt regelmäßig in die Lichtspielhäuser, und von wegen „Pssst – bitte still sein!“ Während in den westlichen Breitengraden die Besucher äußerlich möglichst teilnahmslos das Geschehen verfolgen und Tränen nur verschämt fließen dürfen, bildet der Bollywood-Film eine Einheit mit dem Publikum. Der Film ist ein Ereignis, das nicht nur auf der Leinwand stattfindet. Die Emotionen haben auch im Zuschauerraum ihren großen Auftritt. Begeistertes Klatschen, wenn der Filmstar erscheint, Buhrufe für den Bösewicht und lauthalses Schluchzen bei ergreifenden Szenen sind – vollkommen normal. Kino wird nicht konsumiert, sondern gelebt. Der Film endet auch nicht mit der letzten Szene, sondern darf zu Hause mit eigenem Drehbuch weitergehen. Gerade junge Bollywood-Fans üben die Tanzschritte zu den Filmhits dann vor dem eigenen Spiegel. Mag ihr Tanzreich auch vielleicht eine schäbige Hütte sein, der Song versetzt sie zurück in den Palast aus der Filmszene. „In Indien ist die Musik Teil des täglichen Lebens – und bestimmt von der Geburt bis zum Tod den Rhythmus unseres Lebens“, erklärte Regisseur Yash Chopra 2005 auf dem „Marrakech Film Festival“. „Deshalb sind Musik, Film und Tanz auch so wichtig für uns. Ohne Musik hätten wir keine Seele. In der Hindu-Mythologie ist der Tanz zudem eine heilige Handlung – der Film verschaffte ihm, heute in moderner Form, neue Popularität.“
Gott, sind die schööön!
Was wären Bollywood-Filme ohne die weiblichen Grazien, die uns mit sinnlichen Tanzeinlagen, farbintensiven Kleidern und lidstrich-lastigen Augenaufschlägen in den Bann ziehen? Außerdem – mein Gott, sind die schön! Wen wundert’s? Eine Karriere im Model-Geschäft ist in Indien oft die Entrittskarte ins Filmgewerbe. Leider gilt auch heute noch: je heller die […]