Der Ursprung des Wortes bei den Amazonas-Indianern: über die Verbindung zwischen Wort und Tabak, über die Duga-Zeremonie und die Voraussetzungen zum Empfangen des echten, wahren WortesDie Witoto sind eine uralte, aus mehreren Stämmen bestehende Zivilisation, die im kolumbianisch-peruanischen Amazonasgebiet lebt. Sie beschreiben sich selbst als die Völker der Mitte. Ihre Heimat wird also als Zentrum der Welt wahrgenommen – und als „canasto caliente“, was so viel wie „heißer Korb“ bedeutet. „Heiß“ wird hier in seiner Bedeutung mit tabu oder unberührbar gleichgesetzt. Der Korb repräsentiert bei den Witoto, wie wir später noch sehen werden, einen zentralen Begriff, der vielfache spirituelle und soziale Meta-phern beinhaltet – besonders innerhalb der Dimensionen von sozialen Beziehungen und Körper.
Alle spirituellen Handlungen bei den Witoto finden ihren Ursprung in der Duga-Zeremonie, die in den einzelnen Gemeinschaften Nacht für Nacht zustande kommt. Das Ritual zielt darauf ab, ein vertieftes Denken zu finden, das ein individuelles und kollektives (Er)Leben in Harmonie mit den kosmischen Prinzipien anregt. Die ideale Tageszeit für eine Duga ist die Nacht, wenn Ruhe herrscht und die Feinde der Weisheit sich ausruhen. Nach Mitternacht hat sich die Hitze des Tages völlig aufgelöst, und die Kühle der Nacht eignet sich zum Lernen. Im Zentrum der Duga steht das Wort, Logos – unsere Essenz. Es bringt Un-bewusstes ins Bewusstsein, webt einen symbolischen Korb, der später der Natur wiedergegeben wird, mit der Absicht, das Gleichgewicht zu erhalten und zu stärken. Die Symbolik des Korbflechtens spielt bei den Witoto eine fundamentale Rolle. Seinen Korb zu flechten bedeutet, lose geistige und materielle Komponenten wie die einzelnen Fasern zu neuen Einheiten zusammenzuknüpfen. Der Korb bezeichnet damit ein Körper-Geist-Geflecht, das aus einem Zustand gesteigerter Aufmerksamkeit entsteht – hervorgerufen durch den Gebrauch der heiligen Pflanzen Tabak und Coca. Tabak symbolisiert dabei das weibliche, das Cocablatt das männliche Prinzip. Tabak vereinigt die Lehren der Vorfahren mit der Gegenwart, das Blatt der Coca symbolisiert die Zunge, die zu dieser Übermittlung nötig ist.
Obgleich das Wort universell ist und nicht von jemandem „besessen“ werden kann, lässt es sich in seiner ganzen Unermesslichkeit erfahren – dies muss allerdings „erlernt“ werden, anerzogen werden, wobei das persönliche Wort auch Disziplin annehmen muss. Um das echte, wahre Wort empfangen zu können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen, etwa Fastenkuren, sexueller Enthaltsamkeit und […]