Yoga als sanfte Körperarbeit für einen Neuanfang nach traumatischen Ereignissen: ein Gespräch mit dem Yogalehrer und Trauma-Experten David EmersonDavid Emerson ist Yogalehrer und Direktor des Yoga-Bereichs im Trauma-Center des Justice Research Institute in Brookline, Massachusetts. Er ist auch Begründer von „Black Lotus“, einer gemeinnützigen Organisation, die sich den Yoga-Unterricht für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen zur Aufgabe gemacht hat. David Emerson war für die Entwicklung und Durchführung des Curriculums bei der ersten fundierten Studie über den Einsatz von Yoga bei traumatisierten Erwachsenen zuständig. Leiter dieses Forschungsprojekts war Prof. Dr. Bessel van der Kolk. Emerson unterrichtet Yoga in allen Bevölkerungsschichten, in Zentren für vergewaltige Menschen, in Hilfsprogrammen gegen häusliche Gewalt, für auffällig gewordene Jugendliche, auf Militärstützpunkten sowie in Veteranenzentren und -kliniken. Er leitet Trainings für Yogalehrende und für medizinisches Fachpersonal in der ganzen Welt. 2012 erschien sein zusammen mit Elizabeth Hopper und anderen Autoren verfasstes Buch „Trauma-Yoga. Heilung durch sorgsame Körperarbeit“.
YOGA AKTUELL: David, du und dein Team unterrichtet eine spezielle Form von Yoga, die traumatisierte Menschen unterstützt.
David Emmerson: Ja, wir bieten eine modifizierte Form des Hatha-Yoga an, die einen adäquaten Umgang mit komplexen Traumata ermöglicht.
Könntest du uns einen Einblick geben in die Thematik „komplexes Trauma“ und dessen Folgen für das somatische System?
Die meisten Trauma-Studien wurden mit Menschen durchgeführt, die an so genannten einfachen posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) litten. Diese Traumata sind oft einmalige überwältigende Ereignisse wie z.B. Autounfälle oder Verletzungen. Dabei bleibt der Stirnlappen in den meisten Fällen unversehrt, bzw. die Verletzung kann sich relativ leicht zurückbilden. Die Menschen können weiterhin auf organisierte Denkvorgänge und daraus resultierendes Handeln zurückgreifen. In diesen Fällen kann Kognitive (Verhaltens-)Therapie eine Menge erreichen. Bei unseren Patienten ist das meistens nicht der Fall.
Was ist der Unterschied?
Wir wissen, dass komplexe Traumata extreme Auswirkungen auf neurophysiologischer Ebene haben – sowohl, was das „Feuern“ des Nervensystems anbelangt, als auch die hormonelle Reaktion betreffend. Studien von Bessel van der Kolk sowie von Ruth und Ulrich Lanius belegen die Auswirkungen komplexer Traumata auf den Thalamus und auf den insulären Cortex (einen Teil des limbischen Systems). Chris Streeter wies in seinen Studien über komplexe traumatische Ereignisse hormonelle Entgleisungen nach, wie z.B. einen erhöhten Cortisolspiegel im Blut.
Bei komplexen Traumata sehen wir uns als Behandelnde mit der Tatsache konfrontiert, dass wir zur Heilung […]