Nag Champa ist Kult! Doch was genau enthält die beliebte, aus Indien stammende Duftkreation eigentlich?
Wer Räucherstäbchen mag, kennt höchstwahrscheinlich Nag Champa mit seinem charakteristischen erdigen, süßlichen und würzigen Aroma. Wann genau und vom wem die legendäre Duftmischung entwickelt wurde, ist unklar. Vermutlich wurde sie bereits vor Jahrhunderten von indischen oder nepalesischen Mönchen hergestellt und in den Tempelanlagen für spirituelle und religiöse Rituale genutzt. Wiederentdeckt und weit über die indischen Grenzen hinaus bekannt gemacht wurde sie jedoch von Shri Satyam Setty, der im Jahr 1964 das Unternehmen Shrinivas Sugandhalaya gründete und seither als „König der Masala-Räucherstäbchen“ bekannt ist. In den 1970er Jahren, nachdem tausende junge Westler auf abenteuerlicher Sinnsuche das Land bereisten und erstmalig in Kontakt mit dem besonderen Nag-Champa-Geruch kamen, eroberte sein Nag-Champa-Produkt unter der Bezeichnung Satya Sai Baba Nag Champa Agarbatti den Weltmarkt; aktuell werden diese Räucherstäbchen nach Angaben des Herstellers in 45 Länder exportiert. Unter den indischen Räucherwerken sind es zweifelsohne die Nag-Champa-Räucherstäbchen, die weltweit das höchste Ansehen genießen.
Neben dem „Original“ in der bekannten blau-weißen Verpackung („Bluebox“) existieren inzwischen zahlreiche Nachahmer, deren Räuchererzeugnisse mal mehr und mal weniger angenehm duften – Letzteres im Besonderen dann, wenn die eigentliche natürliche Mischung mit synthetischen Duftmolekülen gespickt wurde. Der aufsteigende Rauch solcher Räucherstäbchen, Kegel oder so genannter Dhoop-Sticks ist kräftig und häufig schwarz, der Geruch ist außerordentlich intensiv, und die Wirkung mündet nicht selten in Kopfschmerzen. Derartige Produkte sollten im Sinne des eigenen Wohlbefindens besser nicht zur Anwendung gebracht werden. Hinweis: Bei Verwendung von schwarzen Kohle-Räucherstäbchen, die nach ihrer Erzeugung in eine duftende Flüssigkeit getränkt werden, ist eine dichte, kräftige und höchst aromatische Rauchentwicklung jedoch normal, auch dann, wenn keine künstlichen Aromen zugesetzt wurden.
Die Inhaltsstoffe von Nag Champa variieren abhängig vom Hersteller, sind also nicht einheitlich, wobei die konkrete Rezeptur üblicherweise einer strengen Geheimhaltung unterliegt.
Das Geheimnis der Zusammensetzung
Die Inhaltsstoffe von Nag Champa variieren abhängig vom Hersteller, sind also nicht einheitlich, wobei die konkrete Rezeptur üblicherweise einer strengen Geheimhaltung unterliegt. Die Frage nach der genauen pflanzlichen Zusammensetzung ist folglich ein kleines Rätsel, dessen Lösung sich durchaus etwas kompliziert gestaltet. Schließlich fungieren die Bezeichnungen Champa oder Champaka in Indien quasi als eine Art Sammelbezeichnung für zahlreiche Baumarten, deren Blüten einen betörend angenehmen Duft verströmen. Darunter beispielsweise Artabotrys hexapetalus (Hirva-Champa), Calophyllum inophyllum (Sultan-Champa), Kaempferia rotunda (Bhumi-Champaka), Magnolia champaca (Champaka, Svarna-Champaka), Magnolia grandiflora (Him-Champa), Mesua ferrea (Nageshvar-Champaka), Ochna jabotapita (Kanaka-Champa) oder Plumeria rubra (Kshira-Champaka). Doch nicht alle davon sind Bestandteil der Nag-Champa-Duftmischung.
Alianthus malabarica & Alianthus triphysa
Das aus diesem Baum gewonnene Harz wird in Indien, genau wie der als „Himmelsbaum“ bezeichnete Lieferant, Halmaddi genannt. Es verströmt ein warmes und balsamisches Aroma, ist für die typisch graue Farbe der Räucherstäbchen verantwortlich und aufgrund seiner hygroskopischen (Luftfeuchtigkeit aufnehmenden) Eigenschaften ebenso für die bisweilen leicht feuchte Textur. Zudem erfüllt es die Funktion eines Bindemittels. Halmaddi eignet sich aufgrund seines angenehmen Duftakkords aber auch sehr gut für Einzelräucherungen. Die Wirkung ist vorrangig eine reinigende und Moskitos vertreibende. Volksmedizinisch eingesetzt, wird Halmaddi unter anderem zur Linderung von Bronchitis sowie bei Dysenterie. Anmerkung: Da der Preis des begehrten Harzes aufgrund der hohen Nachfrage an Räucherstäbchen in den letzten Jahren einen enormen Anstieg erfuhr, greifen einige Räucherstäbchenerzeuger inzwischen auf synthetisches Halmaddi zurück, welches wesentlich günstiger ist.
Magnolia champaca
Viele Hersteller geben die gelbe Champaka-Blüte (Magnolia champaca, synonym: Michelia champaca) als den wichtigsten Inhaltsstoff der Nag-Champa-Mischung an. Das aus den Blüten destillierte ätherische Öl duftet in der Tat sehr betörend, jedoch nicht vergleichbar mit Nag-Champa-Räucherstäbchen. Daher gehe ich davon aus, dass der charakteristische Nag-Champa-Geruch nicht nur auf der Blüte dieser Magnolie basiert, sondern in erster Linie auf anderen Ingredienzien. Bei anderen Nag-Champa-Produkten, etwa den Duftölen, mag das anders sein. Sicher ist jedoch, dass das ätherische Blütenöl der wichtigste Duftgeber für das äußerst hochpreisige „Joy“-Parfum ist, weshalb das Gewächs volkstümlich bisweilen auch „Joy-Baum“ genannt wird. In Indien wird Magnolia champaca gerne in die Nähe von Ashrams und Tempeln gepflanzt, wo sie bei günstigen Standortverhältnissen zu einer Höhe von bis zu 40 Metern heranwächst. Magnolienblüten sind jedoch nicht ausschließlich für religiöse Zwecke von Bedeutung, sondern auch für medizinische. In Bangladesch werden sie in Sesamöl eingelegt und in dieser Darreichung von den Einheimischen zur äußerlichen Behandlung von Schwindelzuständen eingesetzt. Im Ayurveda sind die bitteren Blüten hingegen eine verbreitete Naturarznei bei Furunkeln, Gonorrhoe, Juckreiz, Kopfschmerzen, Lepra, Nierenleiden und Rheuma.
Mesua ferrea
Dieser als Eisenbaum, Eisenholz oder als Rosenkastanie bezeichnete Baum gedeiht in den immergrünen Wäldern der indischen Westghats. Seine aromatischen Blüten gehören zu den Hauptbestandteilen der Nag-Champa-Räucherstäbchen; manchmal findet außerdem das rötliche und harte Holz von Mesua ferrea den Weg in die Duftmischung. Im Ayurveda sowie der indischen Unani- und Siddha-Medizin werden die Blüten zu einem feinen Pulver gemahlen, das zur Behandlung von Durchfall, Husten und Hämorrhoiden empfohlen wird. Die Wirkung der bitter schmeckenden Blüten wird von indischen Pflanzenheilern als adstringierend, auswurffördernd, blutstillend, entzündungshemmend, erwärmend, fiebersenkend und verdauungsanregend beschrieben. In Indien genießt diese Pflanze den Status eines Baumheiligtums, das im religiösen Brauchtum gleichermaßen mit Shiva sowie mit Lakshmi in Verbindung steht.
Plumeria rubra
Plumeria-Arten werden auch als Frangipani bezeichnet und gehören zur Familie der Hundsgiftgewächse. Plumeria rubra stammt ursprünglich aus Mexiko, jedoch wird diese Spezies inzwischen auch weit außerhalb ihrer Herkunftsregion kultiviert, so auch in Indien. Dort werden die kleinen Bäume gerne in die Nähe von Tempeln gepflanzt und die aromatischen Blüten als religiöses Blumenopfer im Rahmen von Pujas verwendet. Medizinisch werden Plumeria-Blüten zu einem hustenreizlindernden Brustsirup verarbeitet. Indische Räuchermixturen, die als „Champa“ bezeichnet werden, enthalten üblicherweise Frangipani-Blüten als Hauptzutat. Das besondere Plumeria-Aroma findet sich außerdem in Duftkerzen, Parfumölen, Seifen und sogar Toilettenartikeln.
Santalum album
Eine weitere essenzielle Zutat der Nag-Champa-Mischung ist Sandelholz; der wohl wichtigste indische Räucherstoff. Daneben dient das Holz zur Herstellung von Götterfiguren, Mala-Ketten und Ritualgegenständen. Auch ganze Tempelgebäude wurden schon aus Sandelholz errichtet. Zum Räuchern wird üblicherweise das aromatische Kernholz dreißig bis sechzig Jahre alter Bäume verwendet. Da jedoch die Bestände sehr rar geworden sind, die Nachfrage höher als das Angebot ist und das Holz in den letzten Jahren folglich einem enormen Preisanstieg verzeichnete, ist davon auszugehen, dass Nag-Champa-Räucherstäbchen sehr häufig kein originäres (weißes) Sandelholz enthalten, sondern stattdessen das günstigere rote Sandelholz, welches dem Hülsenfrüchtler Pterocarpus santalinus entstammt. Echtes Sandelholz entfaltet infolge des Räucherns einen warmen, würzigen und süßlichen Rauch, der auf die Psyche angstlösend, beruhigend, fantasieanregend, inspirierend und stresslindernd wirkt. Als Heilmittel ist Sandelholz sowohl in Indien als auch in China und Tibet von Bedeutung. Als solches wird es beispielsweise zur Herstellung des hormonellen Gleichgewichtes, bei entzündlichen Hautreizungen, bei angst- und stressbedingten Störungen der Sexualfunktion sowie zur Linderung von Harnwegsinfekten eingesetzt.
Sonstige
Wie gesagt, die konkreten Rezepturen sind variabel und unterschiedlich. So ist es keinesfalls ungewöhnlich, dass manche Nag-Champa-Räucherprodukte neben den bereits aufgeführten, weitere Naturstoffe enthalten, darunter beispielsweise Honig, Lavendel, schwarzer Pfeffer oder Zimt.
Übersicht:
Nag-Champa-Produkte und ihre Einsatzmöglichkeiten
Produkt | Verwendung |
Räucherstäbchen, Räucherkegel, Dhoop Sticks | Meditation, Gebete, Raumbeduftung, Beruhigung, Entspannung |
Aromasprays | Raumbeduftung |
Aromaöl | Meditation, Entspannung, Raumbeduftung |
Duftbeutel | Beduftung von Innenräumen, Kleiderschränken und Autos u.a. |
Duftwachs (für Räucherstäbchen) | Entspannung, Raumbeduftung |
Kerzen | Entspannung, Raumbeduftung |
Parfum, Deo-Roll-On | Körperbeduftung |
Seife | Hautprobleme, Hygiene, Körperbeduftung |
Shampoo | Hygiene, Haar- und Körpberbeduftung |
Exkurs: Welche Räucherstäbchen-Typen gibt es?
Bhutan-Räucherstäbchen
Echte bhutanische Räucherstäbchen werden nach den Anleitungen aus alten buddhistischen Schriften von Mönchen hergestellt, die vor der Produktion nicht selten fasten und sich diversen spirituellen Reinigungszeremonien unterziehen. Außerdem werden die Sternenkonstellation und andere Einflüsse berücksichtigt. Eingesetzt werden ausschließlich natürliche Zutaten wie Blüten, Rinden, Hölzer, Harze, Wurzeln, Früchte und Blätter. Vergleichbar mit japanischen und tibetischen Räucherstäbchen, wird auf ein Holzstäbchen verzichtet, jedoch haben Bhutan-Räucherstäbchen üblicherweise einen deutlich dickeren Umfang.
Dhoop-Sticks
Hierbei handelt es sich um kurze, runde und dicke Räucherstäbchen ohne Holzkern, die so breit sind, dass sie von selbst stehen können. Zu den Hauptzutaten gehören neben diversen pflanzlichen Duftstoffen Sägemehl und Bindemittel. Zur Raumluftverbesserung in geschlossenen Räumen sind Dhoop-Sticks aufgrund ihrer starken Rauchentwicklung und Duftintensität ungeeignet. Am besten werden sie nur im Freien eingesetzt.
Japanische Räucherstäbchen
Japanische Räucherstäbchen werden üblicherweise maschinell und ohne Bambus- bzw. Holzkern hergestellt. Die Stäbchen sind sehr dünn, zerbrechen leicht und duften weitaus feiner und weniger kräftig als indische Räucherstäbchen. Zu den klassischen Duftnoten gehören zum Beispiel Adlerholz, Gardenie, Grüner Tee, Kirschblüte, Lavendel, Lotus, Sandelholz und Zimt.
Kohle-Räucherstäbchen
Kohle-Räucherstäbchen lassen sich an der schwarzen Farbe erkennen, zudem geben sie vergleichsweise deutlich mehr Rauch ab. Hergestellt werden sie, indem der dünne Bambuskern zunächst mit einem Gemisch aus zerstoßener Kohle und einem Bindemittel ummantelt und anschließend in eine duftende Flüssigkeit getunkt wird. Einige Kohle-Räucherstäbchen enthalten als Basis aber auch pulverisierte Pflanzenmaterialien, was sich unschwer am „Teig“ erkennen lässt. Angeboten werden sie meist in blumig-exotischen Düften, zum Beispiel Jasmin, Kokosnuss, Lemon, Rose oder Ylang-Ylang.
Masala-Räucherstäbchen
Bei den „Nag Champas“ handelt es sich um so genannte Masala-Räucherstäbchen. Masala bedeutet übersetzt „würzige Mischung“ oder „Gewürzpaste“. Kohle kommt bei diesen Räucherstäbchen nicht zum Einsatz. Stattdessen wird aus pulverisierten Kräutern, Hölzern, ätherischen Ölen sowie Gummis (z.B. Gummi arabicum, Traganth) oder Harzen (Halmaddi) ein aromatischer und klebriger Teig erzeugt, der in traditioneller Handarbeit um dünne Holzstäbchen gerollt wird. Damit die Stäbchen in der Verpackung nicht aneinanderhaften, werden sie außerdem mit einem unbestimmten Holzpuder bestreut. Selten sind in Masala-Räucherstäbchen auch synthetische Duftstoffe enthalten.
Tibetische Räucherstäbchen
Tibetische Räucherstäbchen werden in Handarbeit aus erlesenen Kräutern und Hölzern aus dem Himalaya hergestellt. Sie duften üblicherweise erdig und eher dezent. Vergleichbar mit Räucherstäbchen aus Bhutan und Japan haben auch solche aus Tibet keinen Holzkern, jedoch sind sie deutlich dicker als die japanischen. Chemische Zusätze werden nicht verarbeitet. Häufig enthalten tibetische Räucherstäbchen über 50 pflanzliche Zutaten. Die konkrete Zusammensetzung ist allerdings in den meisten Fällen ein Geheimnis der einheimischen Hersteller. Gebräuchliche Zutaten sind beispielsweise Gokul, Wacholder oder Zeder.