Der Herbst lädt uns dazu ein, loszulassen und Innenschau zu betreiben. Ein kraftvolles Herbstritual und Rezepte aus der Kräuter- und Waldküche.
Die Sonne zieht sich langsam zurück. Die Tage werden deutlich kürzer. Vielen fällt es schwer, sich von der bunten Fülle des Sommers in die kalte Einsamkeit des Winters zu begeben. Doch der Herbst hilft uns dabei. Er bietet uns einen farbenprächtigen und schmackhaften Übergang, füllt die Kraftreserven auf und nährt die Seele. Er lässt uns die letzten warmen Sonnenstrahlen und Farben des Sommers aufsaugen und verführt zum Entschleunigen. Jetzt ist die optimale Zeit, loszulassen. Nicht nur das üppige, bunte Leben, das den Sommer auszeichnet, sondern auch alles, was wir nicht brauchen – ob nun materiell oder auf der seelischen Ebene. Dafür blasen uns die Herbstwinde die trüben Gedanken fort und tragen uns mit einem aromatisch-würzigen Hauch neue Ideen zu. Wer nun achtsam in Feld und Wald spazierengeht, kann beobachten, wie sich Wettermuster ändern, Blätter und Pflanzen bunt färben und kleine, pelzige Gesellen für den Winter bevorraten. Manch einer hat hierfür Sammellager angelegt, andere stopfen jede erhaschbare Kalorie in sich hinein, um mit einer dicken Speckschicht durch die karge Zeit zu kommen.
Auch wir Menschen können uns vorbereiten. Zum Glück haben wir es nicht nötig, Vorratskammern aufzufüllen oder aus der Form zu geraten. Da wir aber keinen Winterschlaf halten, sollten wir unser Immunsystem und unsere Seele auf das klamme Klima vorbereiten. Bedienen wir uns doch dazu der „Powerfoods“, der Lebensmittel, die viel Energie versprechen. Und nein, dazu müssen wir nicht das nächste Reformhaus um hochpreisige Nahrungsergänzungsmittel erleichtern. Wir nehmen beim nächsten Waldspaziergang einfach mit, was uns die Natur jetzt noch bietet, und peppen unseren Speiseplan damit auf.
Auf den ersten Blick scheint da nicht viel zu wachsen. Kleine bunte Perlen,
Hagebutte und Schlehe, sind aber durchaus noch zu finden. Bei Letzteren muß man schneller sein als kluge Mitsammler, die sich frühzeitig bevorraten. Wer das Glück hat, küstennah zu wohnen, sollte auch den Sanddorn nicht unbeachtet lassen. Es lohnt sich durchaus, diese wertvollen Früchtchen zu pflücken. Schlehen können wir trocknen, um sie danach als Immunbooster zu knabbern oder einer Winter-Teemischung zuzufügen. Auch Pilze bieten sich dem kundigen Sammler in ihrer ganzen Pracht an. Gerade in den letzten Jahren werden mehr und mehr heilsame Inhaltsstoffe unserer heimischen Arten bekannt.
Gesund mit Wildkräutern
Doch im Herbst schauen wir auch nach innen, in die Erde, zu den nicht sichtbaren Schätzen, den Wurzeln. Dort steckt jetzt die geballte Lebensenergie der Pflanzen, geschützt, gespeichert, zurückgezogen. Das machen wir uns zunutze. Mit einem Wurzelstecher ausgerüstet, ernten wir allen voran die Löwenzahnwurzel und die Nachtkerze. Aber auch Klette, Knoblauchsrauke (möglichst von einjährigen Pflanzen), wilde Möhre und Engelwurz dürfen in den Sammelkorb. Sogar Pastinaken und Topinambur kann man zuweilen wild finden. (Bitte nur ernten, was man eindeutig kennt! Junge Exemplare bevorzugen, alte könnten holzig sein.) In dieser kleinen Auswahl stecken sehr starke Heiler. Mit der Engelwurz kommt ein hoher energetischer Schutz dazu. Aber man kann Gutes noch besser machen und natürlich auch Kulturgemüse hinzufügen. Besonders, wenn die Familie den etwas herberen Geschmack der Wildgemüse noch nicht gewöhnt ist, bietet sich das Mischen mit „normalen“ Lebensmitteln an. Je nach Geschmack können Saisongemüse wie rote und bunte Bete, Möhren, Kürbisse, Süßkartoffeln, Rüben und Mais den Speisezettel bereichern. Diese bunten Köstlichkeiten sind die letzten Geschenke der Sonne. Sie sind süß, voll mit Vitaminen und Mineralstoffen, und helfen, sich zu erden. Laut der traditionellen chinesischen Medizin stärken sie das Blut, bilden Energiereserven und bereiten den Körper auf den Winter vor. In der kalten Jahreszeit darf man auch in Gewürzen schwelgen: Ingwer, Nelken, Zimt, schwarzer Pfeffer, Zwiebeln, Knoblauch und Basilikum halten warm und unterstützen das Immunsystem. Auch wer Kräutertees trinkt, dürfte es der nächsten Erkältung schwermachen. Hier empfiehlt es sich, den Teemischungen wärmende Kräuter wie Basilikum, schwarzen Pfeffer, Kardamom, Zimtrinde, Nelken, Ingwerwurzel und Lakritzwurzel beizufügen. Scharf wärmt, bitter tonisiert.
Herbstritual
Die Herbstenergie fordert uns auf, unsere Aufmerksamkeit nach innen zu richten und Unwichtiges loszulassen. Wir können unsere Werte überprüfen und uns von Dingen, Menschen oder (Gedanken-)Mustern verabschieden, die uns nicht dienen. Auch wir können uns zurückziehen und Raum schaffen, um unser eigentliches Selbst zu finden. Wir können den Kleiderschrank ausmisten und den Terminkalender von überflüssigen Terminen befreien. Dazu gehört auch das Nein-Sagen zu manchen sozialen Aktivitäten oder zum Internet. Ja, wir können sogar das Loslassen loslassen und dem Entrümpeln die kalte Schulter zeigen, indem wir uns einfach mit einem guten Buch und einem (Zimt-) Kakao auf dem Sofa lümmeln. Die Kraft, die wir so tanken, bringt uns durch die dunklen Monate.
Wer mag, der nutzt die Herbstenergie für ein kleines Ritual Der Herbst ist der Übergang zwischen der Fülle des Sommers und der sanften Ruhe des Winters. Er lehrt uns, sämtlichen Ballast gehen zu lassen und offen und frei für den Rückzug und die Innenschau während der dunklen Tage zu werden. In diesem Raum können neue lebenspendend Gedanken wurzeln. Nimm dir etwas Zeit für einen achtsamen Spaziergang in der Natur. Wenn möglich, lass ihn an einem Gewässer enden. Bewegtes Wasser wäre wunderbar, aber auch ein stiller See spricht zu unserer Seele. Wasser fließt frei und kann jede Form annehmen. Es kann sanft oder auch kraftvoll sein, nähren, vitalisieren, aber auch zerstören. Wasser entspricht unseren Emotionen und birgt viele Aspekte unseres eigenen Charakters. Lass dir Zeit auf deinem Spaziergang. Achte auf deine Schritte, den Untergrund, deinen Atem. Lausche, rieche … nimm wahr. Spür die Herbstbrise auf der Haut. Wenn du das Gewässer erreicht hast, such dir einen Platz, wo du eine Weile ungestört sitzen kannst. Mach es dir bequem. Atme tief durch und schau auf die Wasseroberfläche. Beobachte sie eine Weile, dann schließ die Augen. Spür das Wasser, nimm es wahr. Nimm den Rhythmus der Wellen auf. An einem ruhigen See stellst du dir vor, wie kleine Schwebeteilchen langsam auf den Grund sinken. Geh nach innen, lausche in dich hinein. Werde dir deiner Wurzeln bewusst. Verweile, so lange du magst, dann komm langsam wieder zurück. Tritt auch den Rückweg achtsam an. Sei bereit für neue lebensbejahende Gedanken und Ideen. |
Rezepte: Herbstleckereien
Wieder zu Hause, helfen dir folgende Rezept, dich zu erden, dich aufzuwärmen und Energie zu tanken.
Nelkenwurz Im Frühjahr nutzen wir die zarten Blätter und Sprosse als Wildgemüse oder für Salat. Später im Jahr wenden wir uns der Wurzel zu. Sie gab der Pflanze ihren Namen und kann ähnlich wie die echte Gewürznelke in Rezepten verwendet werden. So z.B. als Zusatz zu Bier, dessen Geschmack dadurch angenehmer und vor dem Sauerwerden geschützt wird. Bei den Rezepten hier kommen aber auch Naschkatzen auf ihre Kosten! |
Nelkenwurz-Mousse mit Birnen

Zutaten
250 g Zartbitterschokolade
2 Eier
Salz
1 EL Zucker
abgeriebene Schale einer Orange
400 ml Schlagsahne
1 Msp. gemahlene/gemörserte Nelkenwurzwurzeln
3 Birnen
4 EL Orangensaft
1 EL Rum (wenn Kinder mitessen, einfach 4 El Orangensaft nehmen)
5 EL Preiselbeerkonfitüre
Zubereitung
Die Schokolade grob hacken und im heißen Wasserbad schmelzen.
Die Eier mit einer Prise und einem Esslöffel Zucker aufschlagen. Die Sahne mit der Nelkenwurz und etwas Orangenschale steif schlagen.
Die Schokolade und die Eimasse verrühren. Die Sahne vorsichtig unter die lauwarme Masse geben und das Ganze mindestens fünf Stunden, besser über Nacht, kaltstellen.
Die Birnen schälen und in Spalten schneiden. Kerne entfernen. Zusammen mit dem Orangensaft in einem Topf aufkochen und eine Minute abgedeckt köcheln lassen. Die Preiselbeerkonfitüre dazugeben, nochmals aufkochen, den Rum einrühren und abkühlen lassen.
Zum Servieren von der Mousse mit einem warmen Löffel kleine Nocken abstechen, auf einem Teller arrangieren und das Kompott dazugeben.
Tipp: Frische Nelkenwurz-Wurzeln lassen sich nicht so gut mahlen. Am Besten etwas trocknen lassen und den Mörser benutzen. Wenn das nicht möglich ist, die Wurzeln zusammen mit dem Zucker mörsern und in die Sahne geben.
Nelkenwurzchai
Ein wunderbarer Tee für kalte Tage!

Zutaten
2 Nelkenwurzwurzelstöcke
Eine Handvoll getrockneter weißer Maulbeeren (Morus alba)
2 Zimtstangen
1 haselnuss- bis walnussgroßes Stück frischer Ingwer in Scheiben
1 EL grüner Tee oder getrocknete Nelkenwurzblätter (vom Frühjahr)
Nach Belieben: etwas schwarzer Pfeffer
1 l Wasser
Zubereitung
Aufkochen und je nach gewünschter Intensität 15–30 Minuten leicht köcheln lassen, anschließend abseihen. Mit etwas Honig oder Milch wird der Chai milder.
Wilde Wurzeln Wer die Wilde-Wurzeln-Küche noch nicht kennt, sollte langsam anfangen (Löwenzahn, Nachtkerze), junge, noch weiche Wurzeln ernten und Kulturgemüse dominieren lassen. Knoblauchraukenwurzel ähnelt Meerrettich in der Schärfe, Engelwurz hat einen exotischen, aromatischen Geschmack, und Klettenwurzel ist recht bitter. Daher die Wurzeln nur in kleinen, geriebenen Portionen nutzen, oder einfach für Heiltees trocknen. |
Herbstliches Ofengemüse

Zutaten
250 g Kürbis
400 g gemischte Wurzeln (z.B. Löwenzahn, Nachtkerze, Topinambur, Pastinaken, Möhren, Bete)
1 Stange Lauch
1 Gemüsezwiebel
1 Knoblauchzehe
4 Zweige Thymian
1 Zweig Rosmarin
eine Prise getrockneter Chili
2 TL Korianderkörner
etwas Olivenöl
Salz, Pfeffer
50 ml Weißwein (od. Orangensaft)
50–75 ml Gemüsebrühe
Zubereitung
Den Backofen auf 200 Grad vorheizen. Das Kürbisfleisch (ohne Kerne und Schale) in 5 cm große Stück schneiden. Die Wurzeln schälen. Energetisch oder magisch Arbeitende können zusätzlich Schutz- und Heilzeichen einritzen. Den Lauch in 4 cm dicke Ringe schneiden. Zwiebeln in 2 cm breite Spalten schneiden. Kräuter abrebeln, Chili und Koriander grob mörsern.
Alles auf ein tiefes Backblech geben, im Ofen (Mitte, Umluft 180 Grad) 10–15 Minuten garen. Wein und Brühe angießen, alles gut durchrühren, mit Backpapier abdecken, nochmals 30 Minuten garen. Papier abnehmen, umrühren, offen etwa 15 Minuten bräunen lassen. Eventuell noch etwas Brühe nachgießen.

Zum Weiterlesen:
Mehr Rezepte und Informationen zur Wurzelküche findest du in dem Buch von Gabriele Meier: Magische Kräuterküche. Rituale und Rezepte für das ganze Jahr, Kailash Verlag 2019