Chanten kann uns maßgeblich dabei unterstützen, nach und nach in die Tiefe des eigenen Herzens zu kommen – so Krishna Das. Der muss es wissen. Im Gespräch mit YOGA AKTUELL erklärt der bekannte Musiker, wie wir zu innerem Frieden finden können.
INTERVIEW
YOGA AKTUELL: Wir freuen uns jetzt schon darauf, dich im Juli auf deiner Europatournee zu erleben. Wie ist es für dich, wieder einmal „on the road“ zu sein?
Krishna Das: Ich freue mich sehr darauf. Es wird schön werden, und wir werden viel Spaß zusammen haben.
Wenn du auf die Tournee gehst, hast du gerade deinen 70. Geburtstag hinter dir. Wie fühlt es sich an, 70 zu werden?!
Ich fühle mich wie 16 Jahre (lacht).
Deine Fans lieben dich! Wie ist es, auch mit 70 Jahren noch so erfolgreich zu sein?
Ich bin sehr dankbar dafür, und es ist für mich eine große Freude, mit so vielen Menschen singen zu dürfen. Körperlich muss ich auf mich achten und mich um meine Gesundheit kümmern.
In deinem Buch „Mit den Augen der Liebe“ beschreibst du die Aufs und Abs des Lebens. Ein Leben ohne Leid scheint es nicht zu geben. Selbst dann nicht, wenn wir – so wie du – viel chanten oder einen intensiven spirituellen Weg gehen.
Wir alle projizieren unseren neurotischen Blick auf den spirituellen Weg. Wir glauben, dass das Ziel der spirituellen Suche darin besteht, dass wir uns gut fühlen. Wenn dies aber nicht passiert, nehmen wir an, dass wir etwas falsch machen. Dabei vergessen wir die Bedeutung des Wortes „Weg“. Wir gehen irgendwohin. Und das ist Arbeit. Die besteht darin, dass wir unsere negativen Gedanken erkennen. Denn bevor wir uns auf den Weg machen, sind wir vollkommen gefangen in den negativen Gedanken. Ja, wir können uns nicht mal vorstellen, dass wir uns davon befreien können. Und wenn wir uns auf den Weg machen, dann haben wir plötzlich das Gefühl, dass wir nur einen einzigen Knopf drücken müssen und dann immer glücklich sein werden. Das ist eine Illusion. Wir müssen immer wieder praktizieren, uns daran erinnern, wer wir sind, wo wir sind, wie wir auf die Welt schauen.
»Aber meine wahre Praxis ist der Versuch, die ganze Zeit in der wahren Liebe zu bleiben.«
Viele Menschen glauben, dass Gott sich in angenehmen Zuständen zeigt. Das ist aber nicht unbedingt der Fall. Das, was kommt und geht, ist nicht die Wahrheit, ist nicht Gott. Wir identifizieren uns mit dem, was kommt und geht. Die spirituelle Praxis besteht also darin, dass wir uns de-identizifieren, de-programmieren – hinführend zu der Erkenntnis, dass alles, war wir erfahren, wichtig ist. Wir müssen dahin kommen, nicht immer bestimmte Zustände haben zu wollen und andere Zustände abzulehnen. Dieses Verständnis entwickeln wir, wenn wir praktizieren. Wahres Glück ist also kein Zustand, der kommt und geht. Es ist ein ewiger Zustand der Wahrheit. Es kann sein, dass wir diesen Zustand irgendwann in unserem Leben erfahren und dann den Wunsch verspüren, wieder dorthin zurückzukommen. Die Illusion, dass angenehme Zustände das Ziel des spirituellen Weges sind, ist in meinen Augen das größte Hindernis auf dem spirituellen Weg. Es geht vielmehr darum, mit dem zu sein, was immer sich zeigt. So offen wie möglich.
Wenn Praxis so wichtig ist, wie sieht Praxis aus?
So wie ich! (lacht). Ich chante und rezitiere Mantras, mache Japa. Das ist eine Wiederholung der Namen indischer Gottheiten. Das Chanten wird dich nach und nach in die Tiefe deines Herzens führen, ohne dass du großartig etwas machen musst – außer zu chanten. Und egal, wie du dich vorher gefühlt hast, danach fühlst du dich besser. Das ist die Meditationspraxis. Aber meine wahre Praxis ist der Versuch, die ganze Zeit in der wahren Liebe zu bleiben.
Was ist das Besondere am Chanten?
Wenn wir chanten, dann reagieren wir nicht so unmittelbar auf den Impuls des Verstands, etwas haben zu wollen oder etwas abzulehnen. Wir bekommen einfach mehr Abstand dazu. Chanting hilft uns, diesen Kreislauf etwas zu durchbrechen – und zwar auf eine einfache Art und Weise (lacht). Durch das Chanten kann sich auch der Teil in dir zeigen, der du tatsächlich bist.
Angenommen, ich wäre eine Fee und könnte dir zu deinem Geburtstag drei Wünsche erfüllen. Was würdest du dir wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass ich weiterhin chanten kann, weil mich das meinem Guru am nächsten bringt. Das ist mein Hauptwunsch, soweit es ums „Machen“ geht. Der nächste Wunsch ist, dass ich weiterhin praktizieren kann. Durch Denken kommen wir nicht weiter. Du kannst dich aus einem Gefängnis von Gedanken nicht durch Denken befreien. Jeder Gedanke ist ein Gefängnis. Und der dritte Wunsch wäre, 365 Tage und täglich 24 Stunden bei meinem Guru zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch!